Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auftrag der Väter

Im Auftrag der Väter

Titel: Im Auftrag der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
Übliche. Die Böden – Faserspuren, Erde, Gras, Schmutz. Fenstergriffe, Balkontüren, innen wie außen ...
    »Ja, ja, ja«, knurrte Steinle.
    Sie beachtete ihn nicht. Im Lauf der Jahre hatte sie gelernt, nicht hinzuhören, wenn Steinle knurrte. »Sucht nach Fingerspuren, Werkzeugspuren ...«
    »Schlösser?«, fragte Lubowitz.
    »Ja, das Schloss der Kellertür. Und das alte Haustürschloss.«
    Steinles Augen wurden schmal. »Das
alte
Haustürschloss?«
    »Wir haben es austauschen lassen«, sagte Henriette Niemann.
    »Sie haben es
austauschen
lassen?«
    »Er hat einen Hausschlüssel mitgenommen, Steinle«, sagte Louise.
    »Haben Sie es auch in die Waschmaschine getan?«
    »Ihr Humor ...«, begann Henriette Niemann.
    »Ich hab keinen Humor«, knurrte Steinle.
    Lubowitz strich sich das halblange graue Haar mit dem Handrücken aus dem Gesicht, nickte. »Also, dann mal los.«
    »Huschhusch in die Küche«, knurrte Steinle.
    Louise zwang sich zu einem Lächeln. Trotz allem bewunderte sie ihre Techniker, vor allem den knurrigen, knollnasigen, hässlichen Steinle, der alles fand, was es zu finden gab, häufig auch das, was nicht mehr vorhanden war. Die Techniker waren die Helden des polizeilichen Alltags, wenn sie auch gelegentlich mit Menschen ihre Probleme hatten. Sie waren verschrobene Wesen aus zwei Welten, pendelten zwischen dem stummen Mikrokosmos und dem lärmenden Makrokosmos, zwischen Materie und Leben, immer auf der Suche nach dem alles entscheidenden Partikel in Nanogröße. Sie hatten ein Recht auf Verschrobenheit.
    »Kümmer dich um Kaffee, Bonì, ja?«, sagte Steinle.
     
    Sie fand Tassen in einem Hängeschrank, eine halbvolle Thermoskanne auf der Warmhalteplatte, ein silbernes Tablett. Steinle und Lubowitz bedienen, das gehörte dazu – die alten Spiele zwischen Technikern und Ermittlern. Aber wenn eine junge Kriminaloberkommissarin an einem Leichenfundort im Dreck kniete und sich die Seele aus dem Leib kotzte, waren die Techniker bei ihr. War Steinle bei ihr und klang ganz anders.
    Sie stellte das Tablett auf einen Stuhl in der Diele, kehrte in die Küche zurück.
    »Sie glauben, dass er oben war?« Henriette Niemann stand am Küchenfenster, starrte nach draußen. »Warum?«
    Louise trat neben sie. Auf der Scheibe verliefen Regentropfen, Straße und Gehweg waren dunkel von der Nässe, der Himmel kam ihr kalt und fremd vor.
    Henriette Niemann wandte sich ihr zu. »Raus damit. Ich will wissen, was Sie denken.«
    Also sagte Louise, was sie dachte.
    Dass der Mann seltsam war, sich seltsam verhalten hatte, seltsame Dinge gesagt hatte. Dass sie nicht verstanden, weshalb er gekommen war. Hatte er vorgehabt zu stehlen? Jemanden zu töten? Hatte er zu Paul Niemann gewollt? Kannte er ihn? War dieses Haus tatsächlich irgendwie sein Haus? Falls ja: warum? Wie war er eingebrochen und wann? Was hatte es mit dem Ultimatum auf sich?
    Gewöhnliche Einbrecher verhielten sich anders. Sie stellten keine Ultimaten. Sie nahmen keine Häuser in Besitz. Doch falls er kein gewöhnlicher Einbrecher war, was war er dann?
    An Henriette Niemanns Blick erkannte Louise, dass sie zu begreifen begann. Der Mann mochte verrückt sein oder nicht, er war von nun an mit ihrem Leben, dem Leben ihrer Familie verbunden.
    Und vielleicht nicht erst seit Samstagnachmittag.
     
    Sie tranken Kaffee, redeten, während der Regen draußen nachließ und der Himmel ein wenig lichter wurde. Henriette Niemann hatte keinerlei Erklärung für die Ereignisse, für das Ultimatum, die Drohung. In ihrem Leben gab es seit vier Jahren nur den Schreibwarenladen, den Haushalt, die Kinder, einmal die Woche Yoga, hin und wieder Freunde. Paul hatte die Arbeit, den einen oder anderen Bekannten, ansonsten war er gern zu Haus, sah fern, überließ sich seinen Gedanken. Bei beiden keine Abgründe, aus denen ein verwahrloster Mann hätte stammen können, der behauptete, ihr Haus sei seines, der eine
Pistole
besaß ... Sie rieb sich mit den Fingern die Schläfen. Und die Kinder,
nein, das war noch undenkbarer, was sollten die Kinder mit so einem zu tun haben? Louise stimmte ihr zu. Sie wollte zu diesem frühen Zeitpunkt nichts ausschließen, doch falls es eine Verbindung gab, dann vermutlich zwischen dem Mann und Henriette oder Paul Niemann.
    »Aber
was
für eine Verbindung?«, fragte Henriette Niemann. »Wir haben nicht mehr viel Zeit, sieben Tage sind nicht ...«
    Louise berührte ihren Arm. »Wir haben genug Zeit.«
    Henriette Niemann nickte mechanisch. »Das Haus kommt

Weitere Kostenlose Bücher