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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Er schwang sich aus dem Wagen und ging ihnen entgegen.
    »Da unten, hinter den Käfigen? Das also ist der Fluß, von dem du mir immer erzählt hast?« fragte Rick Martin.
    Maya antwortete nicht.
    »… das Stations-Gebäude, da hat Dan schon recht, es muß dringend saniert werden. Trotzdem, was für ein traumhafter Ort, Maya! … Diese Burschen dort, gehören die zur Station?«
    Maya schüttelte den Kopf.
    »Komm!« sagte sie nur und begann zu rennen.
    Es konnte nichts mehr getan werden für Poh -Pan …
    Sie scheuchten die Sandfliegen und Mücken fort, die sich in dichten Schwärmen auf seinem Körper niedergelassen hatten, reinigten die Leiche von Ameisen, hüllten sie in den kostbaren, aus Pflanzenblättern geflochtenen Teppich, den Tara Dan Carpenter geschenkt hatte, als Tan in sein Haus zog, trugen ihn hinunter zum Ufer, um ihn dort zu begraben.
    Tan saß noch immer stumm in einer Ecke, so sehr Dan und Maya sich auch um sie bemühten. Sie rührte sich nicht. Sie legte sich auch nicht in die Hängematte, die ihr Dan auf der Terrasse aufgehängt hatte. Sie saß einfach da, den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen.
    »Das geht vorüber«, sagte Tara. »Laßt sie. Sie ist stark. Sie ist meine Schwester.«
    Maya und Dan öffneten einige Büchsen, trugen die getrockneten Sago-Fladen, an die die Ipak gewöhnt waren, zum Tisch. Sie begannen zu essen.
    Die Männer aus dem Wald schüttelten die Köpfe, als Dan ihnen Bier anbot. So verzichteten sie alle darauf und tranken Tee. Sie aßen stumm. In die Geräusche des Essens, das Klappern der Messer, die kurzen Worte drang durch die dünnen Wände ein fast kindlicher Singsang aus dem Nebenzimmer. Manchmal wurde das »I-a-o« durch einen brutalen, fast konvulsivischen Ausbruch von Worten unterbrochen. Dann herrschte wieder Schweigen, bis es erneut begann! »I-a-o …«
    Der Mörder.
    Tara und die anderen taten, als existiere die Stimme nicht. Maya hatte schon nach wenigen Bissen den Teller zurückgeschoben. Sie schwieg. Der einzige, der ganz ruhig weiter aß, als gäbe es nichts Wichtigeres, war Dan Carpenter.
    Rick Martin hielt es nicht länger aus: »Was habt ihr mit ihm vor? Ihn krepieren zu lassen?«
    »Verdient hätte er's«, sagte Maya.
    »Verdient, Maya. Natürlich. Aber die Frage ist, was wir tun.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Dan und walkte mit seinen zahnlosen Kiefern ein Stück Sago durch. »Ich weiß es noch nicht. Ich muß es mir überlegen.«
    »Und wie lange dauert das?«
    Carpenter sah ihn nur an.
    Rick Martin war froh, als er endlich eine Zigarette in der Hand halten und einen tiefen Zug tun konnte: ein bißchen viel auf einmal. Dieser Empfang … Er hatte andere Situationen durchgestanden … Obwohl diese hier seinem Talent, sich außergewöhnlichen Umständen anzupassen, nun wirklich einiges abverlangte.
    Dieser Typ zum Beispiel? Dieser Wahnsinnige? …
    Aus irgendeiner Kiste hatte Carpenter ein paar zerkratzte Handschellen hervorgekramt. Sie waren eigentlich für Wilderer bestimmt, aber sie schienen auch für einen Verrückten geeignet, der offensichtlich im Delirium wildfremde Menschen niederknallte und eine Frau dazu zwang, die Leiche ins Gebüsch zu schleppen, um sie dann anschließend mit Pflastern zu knebeln und zu fesseln. Verdammt, woher kam er? … Wer war er? …
    »Er ist nicht verrückt, Rick. Und das Fieber allein ist es auch nicht.«
    »Na gut, Maya, was dann?«
    »Wenn ich das wüßte …«
    Als sie ihm die Gelenke am Bettgestell befestigten, hatte er unverständliche, hohe Klagelaute ausgestoßen, dann kamen zwei, drei Sätze, eindeutig französische Worte – aber sie waren zu leise, wurden völlig unverständlich aus dem nach Luft ringenden Mund hinausgestoßen.
    Nach dem Essen gingen Rick, Maya und Carpenter wieder hinüber ins Gästezimmer. Dan setzte sich auf die Bettkante.
    »Was ist los mit Ihnen? Wer sind Sie?«
    Keine Antwort. Der Mann lag da wie ein Toter.
    Dan Carpenter schickte Maya aus dem Raum und beugte sich über den glatzköpfigen Schädel mit dem verschwollenen Gesicht. Die Lider waren so dick aufgedunsen, daß sie kaum einen Blick zuließen. Speichel lief aus den Mundwinkeln. »Hören Sie … Hören Sie mich?«
    Stille … Nur Röcheln …
    »Hören Sie. Ich will das wissen: Wer sind Sie?«
    Nichts.
    Dan hob die Hand, und ehe Rick Martin es verhindern oder auch nur etwas sagen konnte, schlug er in dieses schweißgebadete, von Fieber und Erschöpfung verunstaltete Gesicht.
    Rick Martin biß sich auf die Unterlippe,

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