Im Auftrag des Tigers
Hartholz, versehen mit Kerben, dreifarbigen Vogelfedern und einigen Rattanfetzen . Und keine zwei Meter weiter hatte jemand noch eine weitere Botschaft in den Waldboden gestoßen.
Tara, der die anderen hinauf zur Station zum Gespräch mit dem Tuan führte, blieb stehen, zog die Stäbe aus der Erde und wartete bis Apa Jogeh und Tida kamen. Apa Jogeh sah erst die Stäbe an, dann Tara.
»Kannst du lesen?«
»Ja … Einer unserer Jäger hat die Botschaft hier gelassen. Wahrscheinlich Tidik.«
»Und hast du gelesen?«
»Noch nicht.«
»Dann lies …«
Tara drehte die Stäbe, betrachtete sie sorgsam. Seine Schultern strafften sich, als habe ein Skorpion sie berührt.
»Auf der Station ist etwas passiert.«
»Dem Tuan?«
»Der Tuan kommt erst am Abend. Er kommt mit der Tochter vom ›Tiger-Schrei‹. Poh Pan, seinem Gehilfen, ist etwas passiert. Er ist ein Onkel von mir. Und meine Schwester …«
Er unterbrach sich, warf die Stäbe in die Büsche und ballte die Fäuste. Seine Kiefer schoben sich hin und her. Er hatte die Zähne so fest aufeinandergepreßt, daß die anderen sie knirschen hörten. Sie schwiegen respektvoll.
»Poh-Pan ist tot.« Er sprach mit einer ganz leisen Stimme. »Ein Fremder ist gekommen und hat ihn getötet. Poh-Pan, mein Onkel, ist tot! Und meine Schwester ist in der Gewalt des Fremden.«
Sie sahen ihn alle an. Es gab nichts zu sagen. Apa Jogeh war der erste, der die Sprache wiederfand.
»Dann gehen wir doch endlich«, sagte er.
War kein Thai, dachte Bernier. War so was wie 'ne Halluzination, ein richtiger beschissener Fieberwahn. Und nun lag die Halluzination da draußen hinter dem Haus unter ein paar Handvoll Ästen, die die Kleine darübergeworfen hatte. Wird bald stinken, die Halluzination, wird von irgendwelchen Feuerameisen angeknabbert, so wie du …
Aber eine Leiche hinter dem Haus ist nicht gerade das Richtige.
Muß man ändern.
Nur, daß du zu verdammt schwach bist, um auch nur den Arsch hochzukriegen.
J.P. drehte den Kopf in Tans Richtung.
Die Kleine lag noch in ihrer Ecke, lag brav an ihrem Platz, dort, wo er sie gefesselt hatte, still wie ein Lämmchen, den Mund zugepflastert, schnorchelte so ein bißchen vor sich hin. Aber die Klappe zugeklebt, immer die Luft durch die Nase, ist eigentlich zuviel verlangt. Schafft sie vielleicht nicht. Jeder hat seine Grenze. Siehst du doch an dir … Muß wieder hochkommen … kräftemäßig … muß hochkommen, jawohl, und den umgelegten Scheißer wenigstens ein bißchen einbuddeln …
Sie muß was tun, sie muß dir helfen, muß … Er stöhnte laut auf, als der Schmerz aus dem Halbdunkel heranflog, in seinen Schädel drang und hinter seinen Augen explodierte.
Er sank in das Kissen zurück. Reiß dich zusammen … Die kommen bald … Was dann? Die kommen, und das Fieber kommt auch wieder …
Seine Zähne klirrten.
Er versuchte sie aufeinanderzupressen. Es half nicht, die Zähne klirrten weiter, und er hatte das Gefühl, als trage ihn die Hitze bis hoch zur Decke.
Und dann fing das Zittern an. Schüttelfrost … Verdammt, ausklingen lassen … Abwarten. So … Und jetzt tief atmen. Wird gleich besser, ist schon besser, okay, reiß dich am Riemen, Alter, schaffst du, zieh die Knie an, raus aus dem Bett. Raus!
Taumelnd kam er hoch.
Die Dielen unter seinen Füßen knackten. Das Mädchen stöhnte. Sein Fuß brannte. Aber bis zum Fenster würde er es schaffen.
Sie sah ihn an.
Dunkel war's hier drin, verdammt dunkel, aber ihren Blick spürte er doch. Ein Blick, der sich durch jedes Dunkel bohrt … Sauer, die Kleine. Daran konnte er nichts ändern …
Er stützte sich auf dem Fenstersims ab, fummelte nach der Schnur, die die Jalousie hochzog, fand sie nicht, schob die Jalousie mit dem linken Ellbogen zurück und hatte nun endlich, was er wollte: Blickfeld nach draußen. Sah die Käfige, in denen dieses dämlich schreiende Pack von Affen rumhopste, sah den Hang, den Fluß … Schön still lag das Wasser …
Oder doch nicht?
Drüben, an den Steinen?
Da hat sich etwas bewegt … Sieht man ganz deutlich. Kleine Wellen sieht man, die zwei gekräuselte Streifen ziehen …
Viechzeug …
Vielleicht sogar ein Krokodil?
Ob es so etwas hier gibt?
Was immer es war, es ist schon wieder verschwunden …
Zuerst hatte Tara bedauert, daß der alte Pa-Telo mitgekommen war, doch für die Balangi schien Pa-Telo der wichtigste Mann zu sein. Außerdem war er ihr Dayung , ihr Medizinmann, und so hätte sich Tara eher die Zunge durchgebissen,
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