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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber er griff nicht ein. Der Tote war Dans Freund gewesen.
    »Jetzt hör zu!« fing Dan wieder an.
    »Er hört nicht, Dan. Sieh doch …«
    Der schwere Kopf sackte zur Seite. Er war ohnmächtig geworden.
    »Um so besser. Dann schauen wir ihn uns mal an …«
    Sie streiften dem Bewußtlosen die Kleider vom Leib. Sein schwerer, muskulöser, für einen Mann seines Alters ziemlich durchtrainierter Körper war mit Wunden übersät. Am schlimmsten hatte es ihn an der linken Schulter, unter der linken Achsel und an der linken Rückenseite erwischt: Ameisen. Feuerameisen, deren Bisse eitrige, rot und blau angelaufene Pusteln hervorriefen. Auch Beine und Bauch waren mit Geschwüren und Stichen übersät. Die eiternden Wunden an beiden Unterschenkeln und oberhalb des rechten Knies rührten wohl von Blutegeln und Dornen her.
    »Und jetzt, Dan?«
    »Na, was schon? Da drüben ist Alkohol. Machen wir's halt sauber, dieses verdammte Stück Dreck …«
    Sie arbeiteten zu zweit, Rick säuberte die Wunden so gut er konnte, streute desinfizierendes Pulver darauf, während Carpenter zunächst eine Antibiotika-, dann eine Vitamin-Spritze setzte.
    Als er die Nadel zum zweiten Mal über den schweißglänzenden Körper senkte, zitterte seine Hand derartig, daß er nicht einstechen konnte. Er ließ sie sinken und versuchte es dann wieder.
    »Sollen wir seine Temperatur messen?«
    »Wieso? … Der ist an der Grenze … willst du's so genau wissen?«
    »Meinst du, er kommt durch?«
    »Wünsch es ihm besser nicht«, sagte Dan Carpenter.
    Sie ließen ihn im Gästezimmer auf seinem Bett liegen. Draußen auf der Terrasse saß Tan in einer Ecke, Maya neben sich, die sie um die Schultern hielt wie ein Kind und ihr Tee einflößte. Und Tan lächelte. Sie lächelte wieder.
    »Tan?« flüsterte Carpenter.
    Sie hob den Kopf.
    »Hat er dir etwas getan?«
    »Nein … Nein, Dan …«
    Mit dem Kinn deutete Maya zum Tisch. »Ich hab' mir die Sachen in seinem Matchsack angesehen. Ich hab' den ganzen Matchsack auseinandergenommen. Seht euch mal den Paß an.«
    Der Paß war ausgestellt auf Mr. Humbert Crain, geboren am 19.11.1932 in Boston, Massachusetts.
    Rick Martin legte ihn auf den Tisch zurück: »Crain?«
    »Den Namen kannst du vergessen, Rick.«
    »Was heißt das?«
    »Er heißt nicht Crain.«
    »Sondern?«
    »Schlag mal die Seite zwei auf. Da findest du ein Stückchen Papier. Eine Quittung … Und schau mal, was da drauf steht.«
    Die Schreibmaschinenschrift auf dem rosafarbenen, ausgefransten Papier war ziemlich verblaßt. Tatsächlich handelte es sich um eine Quittung. Die Quittung einer Wäscherei in Johor. Der Betrag lautete auf 24 Ringgits. Und hier stand es: ›Mr. J.P. Bernier‹.
    Martin ließ die Hand sinken.
    »Nein!« – Und dann wiederholte er: »J.P. Bernier. J.P.? Jean Pierre?«
    »Oder Jean Paul.«
    Nun wurde auch Carpenter aufmerksam. »Habt ihr nicht gestern schon von irgendeinem Bernier erzählt?«
    »Ja … Und nicht von irgendeinem. Von dem Mann, der für unseren Freund Philip Wang Fu die Drecksarbeit besorgt und auch sonst so ziemlich alle Gemeinheiten organisiert, die Wang Fu einfallen.«
    »Und das soll … Der liegt da drüben im Gästebett …? Das gibt's doch nicht!«
    »Anscheinend doch«, sagte Maya.
    Maya schlief in dieser Nacht sofort völlig erschöpft ein. Rick gelang das nicht. Still lag er neben ihr und versuchte das kreisende Karussell in seinem Kopf zum Stillstand zu bringen. Kühl war es im Raum geworden, kühler und dunkler als zuvor. Der Himmel sog sich mit Regen voll. Irgendwo im Dach knisterte und kruschelte es, wie üblich.
    Vom Gästezimmer aber erklang immer wieder die leise quängelnde, unverständliche Stimme des Fiebernden.
    J.P. Bernier? …
    Was jetzt?
    Ach, zum Teufel mit ihm! Bernier hat Zeit bis morgen …
    Er stützte sich hoch.
    Ihre Schulter schimmerte. Noch gab es genug Licht, um die Züge ihres Gesichtes zu erkennen. Zart, ganz vorsichtig, um sie nicht zu wecken, strich er ihr übers Haar. Trotz allem – war es nicht eigentlich so, wie er es sich gewünscht hatte? So, wie es andauern müßte? Immer …
    Er erhob sich aus dem Bett und ging wieder zum Fenster. Das Feuer unten am Flußufer, dort, wo die Senois die Totenwache hielten, brannte noch immer. Und wenn er sich anstrengte, konnte er auch die Stimmen vernehmen: ein eintöniges Gemurmel, das manchmal von einem leisen, monotonen Singen begleitet wurde.
    Er ging ins Bett zurück, schlief endlich ein, und wieder träumte er einen Traum, der ihn

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