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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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als mit irgendeiner Bemerkung die Gastfreundschaft und den Respekt vor dem Alter zu verletzen. Und nun? Je länger sie durch den Wald gingen, desto mehr mußte er seine Meinung revidieren: Dieses sehnige Knochenbündel mit seinen Knotenknien, dieser Pa-Telo hielt nicht nur mit, er kannte den Weg wie ein Ipak , was wiederum bewies, daß auch die Balangi seit Jahren durch das Gebiet der Ipaks gestreift sein mußten. Doch dies war nicht die Zeit, darüber zu reden …
    Sie hatten den Fluß unterhalb der Station durchquert.
    Pa-Telo kauerte am Ufer.
    Er hielt ein winkelförmiges, naßschimmerndes, vom Wasser rundgeschliffenes Stück Hartholz in der Hand, das wohl eine Astgabel gewesen sein mochte, und bearbeitete es mit dem Messer, bis es aussah wie ein Wurfholz. Die anderen beobachteten ihn schweigend. Nun hob Pa-Telo das Holz hoch und grinste mit den drei letzten Zähnen, die er noch besaß. Sie waren so schwarz wie seine Haut.
    Jeder wußte, was er beabsichtigte.
    Von den Riesenfarnen, die hier wuchsen und Deckung gaben bis hinauf zur Terrasse des Wohnhauses, betrug die Entfernung vielleicht vierzig Meter. Man mußte schon sehr gut werfen können, doch es war zu schaffen … Mit solchen Würfen konnte man einen Eber, einen angeschossenen Puma oder gar einen Tiger dazu bringen, seinen Schlupfwinkel zu verraten, seine Deckung zu verlassen.
    Doch Tara schüttelte den Kopf.
    Sein rechter Zeigefinger beschrieb die Hälfte eines Kreises.
    In der Jagdsprache bedeutete dies, daß er sich der Beute von hinten nähern würde.
    Er nickte dem jungen Tida zu. Tida griff nach seinem Blasrohr und setzte einen Giftpfeil ein. Die anderen taten das gleiche. Tara und Tida verschwanden.
    Pa-Telo blickte auf die Uhr an seinem linken Handgelenk. Es war eine japanische Uhr, doch die Batterien waren längst verbraucht, die Ziffern in ihren Fensterchen erloschen. Pa-Telo liebte die Uhr dennoch, der Gedanke gefiel ihm, daß sie die Zeit gefangen hielt. Im übrigen wußte er genau, wie lange ein Mann brauchte, um das Haus dort von hinten anzuschleichen.
    Als die Zeit verstrichen war, trat Pa-Telo mit Apa Jogeh in eine kleine Lichtung, die die Farne bildeten. Die Augen maßen noch einmal die Flugbahn bis zur Terrasse. Er holte aus, spannte den Körper zurück – und warf …
    Er mußte das Dorf beschützen. Wenn er einen Orang Asli tötete, kamen die Soldaten …
    Er würde keinen Menschen töten. Auch nicht diesen von allen bösen Geistern besessenen Weißen.
    Tara regte sich nicht.
    Er wartete.
    Daumen und Zeigefinger schoben die Jalousien-Stäbe wieder auseinander: Nichts hatte sich geändert. Noch immer lag Tan in einer Ecke, zusammengeschnürt wie ein erbeutetes Wild, noch immer stöhnte der Mann auf seinem Bett, seine Brust hob und senkte sich. Es schien ihm schlecht zu gehen.
    Und Poh-Pan? Ob sein Geist nun zusieht? Man muß mit ihm rechnen …
    Das hat Zeit.
    Er hatte die drei Worte nicht fertig gedacht, als es geschah. Er vernahm zuerst das berstende Klirren von Glas, dann ein Poltern. In sanftem Bogen war das Wurfholz der Richtung gefolgt, die Pa-Telo ihm gegeben hatte, zerschlug das linke Veranda-Fenster der Station, um dann hart auf dem Boden aufzuprallen.
    Bernier fuhr aus seinem Bett hoch.
    Was war das?
    Sein Puls raste.
    Die Pistole? … Sie lag neben seinem Oberschenkel. Er griff nach ihr, stellte die Füße auf den Boden, kam hoch, taumelte zur Tür. Er würde sie nicht öffnen. Er wußte nicht, was geschah, hörte noch das Splittern der Jalousie hinter sich, doch den Schatten im Fensterrahmen sah er nicht, dazu war es zu spät, alles war zu spät …
    Tara flog förmlich auf ihn zu, packte ihn an den Schultern, faßte mit eisernem Griff den Hals.
    Der Fremde, der Mörder Poh-Pans, brach in die Knie, bäumte sich noch einmal auf, verdrehte die Augen und wurde schlaff …
    »Ist das ein Empfangs-Komitee«, fragte Rick. »Hast du es für mich bestellt?«
    Maya schwieg.
    Carpenter steuerte den Toyota auf den Parkplatz, legte beide Hände aufs Steuer und blickte hinüber zu den fünf Männern in ihren Lendenschlingen, die sich am Fuß der Treppe zum Stations-Eingang aufgebaut hatten. Er hatte sie erwartet, schließlich hatte Tara diese ›Konferenz‹ über das weitere Vorgehen gegen die Logging-Company vorgeschlagen, und daß sie Maya und dem Gast zur Begrüßung nicht entgegenliefen war auch in Ordnung, Senoi-Sitte, aber trotzdem …
    Etwas mußte geschehen sein.
    Die Gesichter drückten es aus. Auch die gespannten Körper

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