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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Tonband abgespielt, aber es war nichts zu hören als Berniers mühsamer Atem, ein gelegentliches Stöhnen und zwei- oder dreimal sein Singsang – ein leises, fast kindliches auf und ab von Tönen, mit denen er sich wohl selbst zu beruhigen versuchte.
    Dies war wohl die erste ruhige Nacht, die seine Sepsis zugelassen hatte. Aber Dan hatte die beiden Nächte zuvor auf Band …
    Als er wieder das Zimmer betrat, hatte sich nichts geändert. Halb aufgerichtet starrte Bernier ihm entgegen. Vielleicht war es tatsächlich etwas wie ein Lächeln, das seine Mundwinkel verzog, vielleicht auch nur eine Täuschung des Schattenspiels, das die Jalousie im Zimmer veranstaltete.
    Er zog den Tisch näher an das Bett und legte den Rekorder darauf. Der Gefesselte beobachtete ihn schweigend.
    »Ganz brauchbar, so ein Gerät, nicht?«
    »Ich habe Durst«, flüsterte Bernier.
    »Gleich, gleich. Ich bringe Ihnen schon Ihren Tee. Aber vorher habe ich noch eine Frage: Was heißt eigentlich J.P.?«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Ich auch nicht. Das ist es ja … Bernier ist mir klar. Aber J.P.?«
    »Was soll denn der Quatsch?« Im Gegensatz zu seinem nächtlichen Singsang hatte er eine tiefe, männliche, wenn auch etwas geschwächte Stimme.
    »Bernier klingt ziemlich nach Kanada, nicht?«
    »Kann ja sein … Ich bin kein Kanadier … Ich bin Amerikaner … Ich heiße Crain … Humbert Crain …«
    »Oh, natürlich. Habe ich fast vergessen. Toller Name da in ihrem Paß. Bloß: Er interessiert mich nicht. Er ist nämlich falsch … Aber J.P. – könnte eigentlich Jean Paul oder Jean Pierre sein, nicht wahr?«
    Bernier drehte Carpenter den Kopf zu und schwieg beharrlich weiter. Schweißtropfen bildeten sich wieder auf seiner Stirn, das Grau seiner Augen schien dunkler geworden zu sein.
    »Machen Sie nur weiter … quatschen Sie … ist mir scheißegal … ich brauche was zu trinken.«
    »Ach ja, der Tee …«
    Carpenter ging in die Küche, nahm die Kanne mit dem destillierten Wasser, goß ein Glas voll und brachte es ihm. Er schloß die linke Fessel auf, gab ihm das Glas. Bernier setzte es an den Mund und schluckte und schluckte. Er trank das ganze Glas leer. Dann öffnete er die Hand und ließ es einfach auf den Fußboden fallen. Es kollerte unter das Bett. Carpenter machte nicht den Fehler, sich danach zu bücken. Er riß Berniers Handgelenk an der Kette zurück und fesselte ihn erneut ans Bett.
    Bernier sah ihn an. In der Tiefe seiner Pupille glomm irgend etwas auf, das neu war. Auch wenn er jetzt den Kopf schlaff zur Seite fallen ließ, er war wach, er war hellwach.
    »Ich bin krank«, hörte er ihn nach einer Weile flüstern. »Ich … ich bin total fertig … Noch nie habe ich mich so dreckig gefühlt wie jetzt … Und Sie fesseln mich hier an dieses Scheißbett.«
    »Das mußte ich doch, Jean? Was würden Sie mit einem Mörder anfangen?«
    »Jean … Jean … Lassen Sie mich in Frieden mit dem Scheiß. Und Mörder? Was heißt denn Mörder? … Und überhaupt: Wer sind Sie?«
    »Wissen Sie doch ganz genau.«
    Er murmelte etwas, doch Carpenter verstand es nicht, dann ächzte und wimmerte er eine Weile, und Carpenter wartete, bis er die Schau beendet hatte.
    »Ich hab' schon genug Schmerzen …«
    Natürlich hatte er die. Aber er wußte auch, oder glaubte zu wissen, wann er sie einzusetzen hatte. So klar konnte er nun doch denken.
    »Killer, lieber Jean, Killer und Mörder läßt man nun mal nicht gerne frei herumlaufen, nicht wahr? Das ist selbst hier so üblich. Und da wir schon dabei sind: Der Mann, den Sie erschossen haben, war nicht nur ein Mitarbeiter von mir, sondern auch mein Freund.«
    »Erschossen …«
    »Ja, erschossen. Mit vier Kugeln. Wer hat Ihnen denn gesagt, daß Sie das tun sollen?«
    »Hören Sie, ich verstehe nicht … Wenn so etwas passiert sein soll, dann ist es …«
    »… dann ist es mir im Fieberwahn passiert, nicht wahr? Das war es doch, was Sie sagen wollten? Aber den Fieberwahn, den müssen Sie schon eine ganz schöne Zeit vorher gehabt haben, Jean … Denn nur einer im Fieberwahn kann auf die Idee kommen, mit einer Cross-Yamaha, in der Satteltasche ein zusammensetzbares Scharfschützen-Gewehr mit Zielfernrohr, in den Wald zu donnern, Gewehr und Yamaha zu verstecken, um sich dann mit einer Pistole zur Station zu schleichen … Lief nicht so ganz nach Programm … Und warum, Jean? Weil es wirklich verrückt war!«
    Wieder das Stöhnen. Die geschwollenen Lider zitterten. Aber dahinter verbarg sich noch immer

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