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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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derselbe wachsame Blick.
    Carpenter ging näher. Ekel und Widerwillen waren die einzigen Regungen, die er empfand, als er Bernier mit dem Handrücken zweimal so heftig ins Gesicht schlug, daß dessen Kopf hin und her flog und er zu brüllen anfing. Der wahre Bernier kam also langsam wieder zum Vorschein. Carpenter ließ ihn in Frieden.
    »Na?«
    Bernier zeigte ihm die gelbverfärbten, kräftigen Zähne, fletschte sie wie ein Raubtier. Insgesamt hielt er sich besser, als Carpenter gedacht hatte. Die Sepsis, die unzähligen Infektionen – der Kerl mußte die Konstitution eines Bullen haben, daß er das bisher durchgestanden hatte. Andere wären krepiert.
    »Mistiger Scheißer«, flüsterte Bernier, öffnete die Lider und starrte Dan lange an.
    »Na gut, werden wir sehen. Wach sind Sie ja wieder. Wach sein ist wichtig. Ich lege ziemlichen Wert darauf, daß Sie alles, aber auch alles mitbekommen, Jean. Das gerade war nur ein kleiner, bescheidener Anfang.«
    Er beugte sich über ihn. »Jean Paul oder Jean Pierre, jetzt will ich wissen, wer auf Ihrer Liste stand. Mit einem Revolver in der Tasche geht man nicht auf die Jagd. Und einen kleinen Senoi, der Hausarbeiten macht, will man ja auch nicht umbringen. Also, wer? Wer sollte es sein?«
    »Scheißkerl.«
    »Das bringt uns nicht weiter. Also, wird's bald?«
    Er starrte. Und wie er starrte.
    »Warum sind Sie hier? Warum? Wofür bezahlt man Sie? Wie heißt der Auftrag? Und was ist eure Strategie? Es geht um Tenenga, nicht wahr? Aber was habt ihr sonst noch vor? Ein bißchen viel Fragen auf einmal, nicht?«
    »Sie … Sie sind ja verrückt …«
    »Ich? Aber sicher … Doch nicht allein. Siehst du das Bandgerät dort drüben, Jean? Die letzten Nächte hattest du einundvierzig Grad Fieber. Du hast das durchgestanden. Kompliment. Aber du hättest es nie durchgestanden, hätte ich dir nicht deine Wunden versorgt und dir Antibiotika und Aufbaumittel gespritzt. Alles hat seinen Preis, Jean … Du wärst längst am anderen Ufer, hätte ich mich nicht so aufopferungsvoll für dich eingesetzt. Ist dir das klar?«
    Berniers Zähne knirschten.
    »Also, wen wolltet ihr umlegen? Mich? Wieso eigentlich mich? Einen, der mitten im Wald lebt und sich ab und zu ein paar Wilderer greift … Wieso ist der wichtig?«
    »Steck dir dein Geschwätz in den Arsch.«
    »Ah, jetzt werden wir schon deutlicher …«
    »Ich muß … Ich muß doch …«
    »Du mußt gar nichts. Du mußt hier liegen und mir zuhören. Und dann mußt du reden. Und das ist schon alles … Paß jetzt schön auf: Während dich das Fieber am Wickel hatte, ließ ich meinen Rekorder laufen. Ich will jetzt nicht die einzelnen Stellen auf der Kassette suchen, wäre zu mühsam und nicht mal nötig, denn ich hab' schon ein Protokoll davon gemacht. Im Fieber hast du ja so schön gesungen.«
    »Was soll 'n das?«
    »Du hast im wahren Sinn des Wortes gesungen.« Dan machte es ihm nach, er sang ihm seine Kinderlieder vor, und dann beugte er sich noch ein bißchen weiter über ihn. »Aber du hast auch andere Dinge erzählt. Richtig ausgespuckt hast du sie. Hier …«
    Er zog eine Kopie des Tonband-Protokolls aus der Brusttasche. »Hab' ich gestern abgetippt: Rabindra … Rabindra … dich hab' ich in Oregon gekriegt … Und du, mein Mädchen … ja du … Brücke? Das ist nicht zu verstehen. Aber jetzt wird's ganz klar: dich krieg ich hier … Zuerst der Papi, dann die Tochter …«
    Er steckte das Blatt zurück. »Rabindra. Wir kennen ihn. Und die Tochter ist Maya, nicht?«
    Die Lider senkten sich wieder über die gelblich angelaufenen Augäpfel.
    Dan sah es sich an, dieses von Schweiß, Schmerzen und Haß entstellte Gesicht. Es mußte ein Ende haben. Er mußte etwas tun. Und er würde etwas tun. Jetzt. Sofort. Er ging zum Fenster und zog die Jalousie hoch, um besser sehen zu können, und blickte in die beiden ernsten Ipak-Gesichter.
    »Tötest du ihn, Tuan?«
    »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich nicht …«
    Dan ging zum Bett zurück. Er griff nach der Spachtel, mit der er die Wundsalbe auf die eiternden Geschwüre aufgetragen hatte, die die Bisse der Feuerameisen an Berniers Brust, Schultern und Rücken hinterlassen hatten. Er riß das Leukoplast weg, das den Gaze-Verband an seinem Platz festhielt.
    Bernier fuhr zusammen. Sein Körper verspannte sich. Carpenter nahm den Spachtel und spaltete mit kurzen, harten Bewegungen den dicken Schorf von den Wunden. Bernier bäumte sich auf. Wieder das Brüllen … Er hatte beeindruckende Reserven.

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