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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Das Wasser schoß ihm aus den Augen, Tränen der Pein, Tränen des Hasses, er versuchte mit dem Knie nach Carpenter zu schlagen, es gelang nicht, er fiel zurück, sein Körper rutschte über die linke Bettkante, die nackten Fersen trommelten auf das Holz des Bodens, der rechte Arm spannte sich, Geschrei und Gestank füllten das Zimmer.
    Carpenter fürchtete, sich übergeben zu müssen. Er nahm den Rekorder vom Tisch, ging zur Tür und schlug sie zu. Und hinter ihm blieben Brüllen, Stöhnen, Flüche.
    Carpenter goß sich ein Glas Whisky ein und beobachtete seine zitternden Hände. Es hatte keinen Zweck. Er mußte es beenden.
    Er ging zurück.
    Berniers Gesicht hatte jede Färbung verloren. Es war grau. Die Augen waren geschlossen. Noch immer hing er halb auf dem Boden.
    »Jean!« Er blieb außerhalb Berniers Reichweite. Selbst jetzt noch war er gefährlich.
    »Jean, du stinkst … Du hast dich vollgeschissen. Jean, du bist tatsächlich am Ende … Ich hab' die Geschichte hier satt. Ich kann ein stinkendes Haus mit einem Scheißkerl wie dir darin nicht länger ertragen. Ich laß' dich jetzt mitsamt dem Bett nach draußen bringen und hol' mir einen Kanister Benzin. Vielleicht brauche ich für einen Typen wie dich sogar zwei. Das ist es mir wert.«
    Er hörte ein Schluchzen.
    »Feuer löscht alles, Jean.«
    Bernier drehte den Kopf. »Nein«, schluchzte er. Und dann: »Hol doch … hol Ulay.«
    »Den D.O.?«
    »Wenn … wenn ich den Mann getötet … er … er ist zuständig.«
    »Dein Freund Pa Ulay? Ein Wang-Fu-Kollege? Der holt dich dann raus? Das wird nichts, Jean. Meinen Leuten da draußen wird es einen großen Spaß bereiten, dich zu rösten.«
    »Nein …«, schluchzte Bernier. Nur das eine Wort.
    Carpenter sah ihn an. Er stellte sich das Feuer vor, hatte die eigene Stimme im Ohr, diese coole Killer-Stimme aus dem Kino. Er meinte tatsächlich, was er gesagt hatte … Das war das Verrückte.
    »Gut, wir können das auch aufwischen.«
    Er legte das Gerät auf den Tisch zurück. »Aber dazu mußt du jetzt meine Fragen beantworten …«
    Auf den Hang und auf den riesigen freien Platz mit den zahllosen schwärzlichen Baumstümpfen, den die Company-Leute geschlagen hatten, brannte die Sonne herab, lastete auf den grauschwarzen Kohleschichten der Brandrodung, der verschrundenen roten Erde, lastete auf ihren Köpfen, in ihrem Gehirn, ihren Herzen. Sie haßten die Sonne. Sie würden und wollten sich nie an sie gewöhnen.
    Jetzt kauerten sie hinter einem großen Haufen abgeschlagener, zerkleinerter Äste und faulender Blätter.
    Sie hatten alles gesehen.
    Und sie hatten Tara zugehört.
    Vieles hatten sie von dem verstanden, was Tara ihnen sagte und erklärte, vieles, vielleicht nicht alles. Wie sollten sie auch all das begreifen, was sie sahen, und was Tara ihnen erklärte?
    Oben am Hang, das große Zementhaus – das ›Verwaltungsgebäude‹, das Haus der Datuks. Gut … Daneben Material- und Maschinenlager, riesige, weißgestrichene, inzwischen von grauen Dreckstreifen verschmierte Wellblechhallen, groß, so unendlich groß, so groß wie zehn Langhäuser zusammen …
    Dort unten, wo die breite Schneise endete, durch die die Straße zum Neggiri führte und die Mole begann, standen die Mesini, die großen, gelben Tiere, diese unermüdlich zermalmenden Maschinen, in denen der Bali Saleng wohnte. Sie standen eine an der anderen, viele, so viele, daß man sich armselig und schwach fühlen mußte. Sie hatten oft vom Wald oder vom Boot aus gesehen, wie es geschah: Hatten die Männer, deren schreiende Sägen noch den höchsten und stolzesten Meranti zu Fall brachten, ihre Arbeit beendet, kamen die Mesini und schoben ihn zur Seite wie ein Stück Abfall.
    »Was sollen wir noch hier?«
    Es war Pa-Telo, der diese Frage stellte.
    Auch Dia, der Dayung der Ipak, nickte ernst. Und Dia Lavai, der zwar kein richtiger Dayung war, weil er keinen Vater besessen hatte, der ihn im Umgang mit den Geistern unterweisen konnte, der sich aber große Kenntnisse erworben hatte, sagte: »Ja, Tara. Die Brüder haben recht … Dies ist ein Platz der Besessenen. Ein böser Ort ist es … Ich spüre es … Und deshalb will ich gehen.«
    »Weil du Angst hast, Dia.«
    »Ja, Tara, das ist es auch … Weil ich Angst habe …«
    »Unsere Väter waren Krieger.« Tara sprach jetzt sehr langsam und sah sie an, einen nach dem anderen. »Sie waren große Krieger. Sie brachten viele Feindes-Köpfe. Ihr wißt es alle. Aber ihr wißt auch, nur ihr denkt nicht daran,

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