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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Vorstellung schien ihm zu gefallen. Wie sonst wären die verrückten Sprünge und Freudenkreisel zu erklären gewesen, die er laut bellend am Ufer zog …
    Es war kurz nach neun, als sie das Lager abgebrochen hatten und mit dem sorgsam in der Bootsmitte verstauten Gepäck vom Ufer ablegten. Über dem Fluß hatte sich der Nebel gelichtet, nur noch in den Baumkronen hingen einzelne Schwaden wie weiße Bettücher …
    Diesmal saß Rick Martin am Heck, um zu steuern. Beka hielt das Stakholz. Auch Maya hatte ein Paddel in der Hand.
    Sie hatten die Mitte des Flusses, der sich in schlangengleichen Kurven durch den Wald hinab zur Barriere wand, noch nicht einmal erreicht, als Maya so plötzlich ihr Paddel hochriß, daß ein Regen von Tropfen aufflog und über Rick Martins Kopf niederging.
    »Was ist jetzt schon wieder?«
    Die Paddelschaufel deutete zum Himmel. »Hörst du nicht?«
    Das Rauschen des Flusses. Fernes Affengekreisch … ein Fisch, der aus dem Wasser sprang, um wieder unterzutauchen. Das war alles. Oder doch nicht? Jetzt? Ja, jetzt wieder … Ein peitschendes, fernes, knatterndes Geräusch …
    »Ein Hubschrauber?«
    »Los, ans Ufer! Unter die Bäume!« schrie Maya und begann wie wild zu paddeln.
    Sie schafften es gerade noch, ehe der Hubschrauber über den Baumwipfeln am Fluß auftauchte. Sie waren gedeckt durch die Mangroven und hielten sich an Ästen und Zweigen fest.
    Es war eine in leuchtendem Orange gestrichene ›Bell-42‹. Und sie flog verdammt niedrig. Vorne, in der tropfenförmigen Kabine, konnte man die Besatzung erkennen: zwei Männer. Der Fliegerhelm des Piloten und die Baseball-Mütze seines Passagiers waren ganz deutlich auszumachen. Das Sonnenlicht schlug blitzende Kreuze aus dem Plexiglas. Der Schatten der ›Bell‹ huschte über das Wasser, streifte eine treibende Baumwurzel und verschwand. Der Peitschenschlag des Rotors war noch lange zu hören.
    »Der große Tuan aus Moong!« rief Beka.
    »Welcher Tuan?«
    »Der Tuan D.O.«, sagte der Junge. »Das war sein Ljan.«
    »Ljan? Was heißt das?«
    »Libelle … Sie sagen Eisen-Libelle.«
    »Stimmt ja auch. Und was wollte … wie hieß der noch?«
    »Pa Ulay.«
    »Richtig, Pa Ulay. Was will der hier?«
    »Möchte ich verdammt gerne selbst wissen.«
    Noch ein Wang-Fu-Mann, dachte Rick Martin. Es war schon absurd, ja, es war im Grund genommen absolut irreal: Dieses Gefühl, in einer anderen Welt zu sein, der intensive Naturfrieden, den der Fluß vermittelte, nichts als Bäume, unbekannte und bekannte Tiere, unberührter Primärwald seit Millionen von Jahren – und dann gibt es da irgendwo in Singapur einen hundsgemeinen, alten Verrückten, und was tut der? Er dreht dir eine Nase. Er sagt: Ich bin allemal schon hier …
    Dan Carpenter sah auf die Uhr: kurz nach neun.
    Er ging in die Küche und überlegte, ob er dem Dreckstück im Gästezimmer zunächst einen Kräutertee aufbrühen sollte, was Zeit kosten würde, weil er das brüchige, bitterduftende Blättergemisch, das Dia Lavai ihm dagelassen hatte, zuerst durch ein Tuch seien mußte, oder ob er den beiden Ipaks, die auf Taras Geheiß vom Dorf auf die Station gekommen waren, nicht aus Büchsenmilch, Zucker und Kellog-Flocken erst mal ein Frühstück bereiten sollte.
    Er ging auf die Terrasse.
    Da saßen sie auf den Stufen, aßen bereits ihren Manioka-Brei und winkten lachend zu ihm hoch: Nojan und Inja. Tara hatte darauf bestanden, daß Dan mit dem Killer auf der Station nicht allein bleiben konnte. Nojan hatte die letzte Wache gehalten. Und Dan hatte die Nacht hinter sich gebracht, ohne dem Dreckstück den glatzköpfigen Schädel einzuhauen.
    Er überwand seinen Widerwillen und öffnete die Tür.
    Wie stets, wenn es ihm etwas besser ging, hatte Bernier sich auf den Ellbogen aufgestützt. Viel mehr war nicht möglich für ihn, denn noch immer hing er gefesselt am Bett.
    Dan öffnete die Jalousie, um besser sehen zu können.
    Bernier wirkte ziemlich schwach. Das breite Gesicht schien nur noch aus hängenden, bläulich angelaufenen Hautsäcken zu bestehen. Doch die grauen Augen blickten zum ersten Mal klar und wach.
    »Hallo«, sagte er.
    Carpenter hob die Hand, drehte sich um, ging in sein Büro und holte Rekorder und Kassetten aus der Schreibtischschublade. Gestern abend hatte er Nojan erklärt, wie ein Kassettenrekorder funktionierte und ihm eingeschärft, den Aufnahmeknopf zu drücken, sollte Bernier wieder mit seinen Fieberfantasien und Ausbrüchen beginnen. Am Morgen hatte Carpenter dann

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