Im Auftrag des Tigers
für besondere Fälle‹ drei ganze Sätze gefälschter Pässe, gefälschter Sozialversicherungskarten, gefälschter Arbeitspapiere und Kreditkarten herstellen lassen. Damit konnte Maya als amerikanische Zeitungs-Reporterin, englische Touristin oder Biologin auftreten. Zusammen mit den anderen Papieren, die sie bei sich trug, besaß sie somit drei wasserdichte Legenden.
Doch als sie im Mai nach Nairobi und von dort nach Ruanda flog, schien der ganze Aufwand ziemlich nutzlos: Maya verzichtete auf jede Tarnung. Dabei sorgte das, was sie lieferte, für Aufsehen rund um die Welt und heizte vor allem erneut die Artenschutz-Diskussion an: In Khartum hatte sie dreißig Tonnen Elfenbein entdeckt und damit erreicht, daß der größte bisher bekanntgewordene Elfenbein-Schmuggel aufflog.
Mayas Aufnahmen und Interviews bewiesen, daß zwei Polen mit südafrikanischen Pässen und der Hilfe bestochener Beamter der als sauber geltenden und gefürchteten kenianischen Anti-Wilderer-Brigade eine Unzahl von Stoßzähnen und dazu noch vierhundert Elefantenkiefer in falsch deklarierten Containern quer durch Afrika bis zum Verlade-Hafen im sudanesischen Khartum geschafft hatten. Bei ihrem Einbruch in einen Ladeschuppen wäre Maya beinahe erwischt worden. Der Sudan setzte sie auf die Fahndungsliste, aus Nairobi kam ein Einreiseverbot.
Es schien sie nicht im geringsten zu beeindrucken. Sie gab kaum einen Kommentar. Ihre ganze Reaktion – ein schwaches, spöttisches Lächeln.
Nicht nur Rick fragte sich, was in ihr vorging.
Und er fragte sich auch, woher zum Teufel dieser unglaubliche Antrieb kam, der sie jede Strapaze überstehen und jede Bedrohung geringachten ließ, so gering, daß sie nicht einmal darüber reden wollte. Ihm blieb nur ohnmächtige Bewunderung …
Auch das Material, das Maya Nandi bei ihren folgenden Einsätzen brachte, hatte es in sich.
Für die Agentur wirkte es wie die Schubkraft einer Raketenstufe. Die interessierten Zeitungen überschlugen sich mit Komplimenten. Der Medien-Informationsdienst konnte in diesem Quartal mit der stolzen Steigerung von vierzig Prozent aufwarten, worauf sie den Preis des Abonnements von zwei- auf dreitausend Pfund anhoben. Fernschreiber und Fax spuckten Tag und Nacht Anfragen und Bestellungen. Und als Maya aufdeckte, daß die Central North ausgerechnet in Südfrankreich, und zwar in der Nähe von Grasse, entgegen aller europäischen Spielregeln, riesige illegale Freilandversuche mit gentechnisch manipuliertem Gemüse laufen hatte, war eine neue Dimension erreicht: Der Skandal trat eine wilde Debatte im Unterhaus los und brachte der EIA weltweites Aufsehen.
Nach wie vor ließ Maya der ganze Rummel um sie vollkommen unberührt. Ein Lächeln, maximal ein Küßchen auf die Wange, ein cooler Austausch von Informationen, das blieb alles. Jede Anerkennung schien sie zu stören. Ihr Gehalt hatten sie verdoppelt – aber eine feste Anstellung in der Agentur? »Wieso denn, Rick? Wieso soll ich sowas unterschreiben? Du mußt begreifen, wenn ich etwas bewahren will, dann ist es meinen klaren Kopf und meine Unabhängigkeit.«
Und dann, mit einem eigentümlichen Blick: »Gegenüber jedem, Rick.«
Das war im Samos gewesen. Bei ihren Londoner Aufenthalten war ihr gemeinsames Abendessen im Samos Tradition geworden.
Am nächsten Tag fand er eine von Mayas Botschaften auf dem Schreibtisch: ein kariertes, herausgerissenes Notizbuchblatt mit flüchtig hingekritzelten Buchstaben: »Sorry, Rick! Aber ich konnte dich nicht erreichen. Ich habe eine dringende Geschichte in den USA zu erledigen und fliege deshalb für drei Wochen nach New York. Maya.«
Soll sie doch, verdammt nochmal.
Er zerknüllte ihre Botschaft und knallte sie wutentbrannt in den Papierkorb. Zum Teufel mit dir, Maya! Was bist du bloß für ein Mensch? Und da blieb noch die andere, die geheimere Frage: Was bist du für eine Frau? Was steckt hinter all dem? Was nur …
Er griff zum Telefon und rief Judy an. Ihr Anrufbeantworter quäkte etwas von »Nachricht hinterlassen« …
Die Situation allerdings hatte auch ihr Gutes. Immerhin hatten sie nun die Zeit, Maya Nandis nächsten Einsatz sorgfältig und in aller Ruhe vorzubereiten.
Es ging um Netze, Fischerei-Netze. Doch diese Netze waren etwas Besonderes. Ihre Breite betrug Hunderte, ihre Länge oft drei- bis viertausend Meter. Monster-Netze also, seit Jahren von aufeinanderfolgenden internationalen Fischerei-Abkommen streng verboten. Netze, in denen alles, was sich darin verfing,
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