Im Auftrag des Tigers
Blut ist es, das zählt, und nicht das irgendwelcher dahergelaufener Inder. Ach, meine Kleine, welches Glück, daß deine Mutter das alles nicht erleben muß. Gott möge verzeihen. Aber wenn sie mitansehen müßte, was aus dieser Familie geworden ist … Nun, du gehörst zu uns. Du kannst immer damit rechnen, daß ich dir helfe.«
Das konnte sie, das wußte sie – in das kleine Haus in der Jalang Teluk gleich hinter der Moschee, wo ihr Onkel wohnte, würde sie dennoch nicht ziehen. Aber Onkel Achmed kannte den Wald. Seit sich Jahr um Jahr mehr und mehr Touristen bis ins Fürstentum Jorak verirrten, war für ihn der Handel mit Eingeborenen-Kunst immer interessanter geworden. Die beiden Stämme der Senoi, die oben im Osten bei Moong , auf der Hochfläche am Rande des Waldes, lebten und dort mit Regierungshilfe seßhaft geworden waren, blieben seine Hauptlieferanten. Er kannte auch die Nomaden. Bis an die Wasserfälle war er gekommen. Und Taong, die Station, die Rabindra Nandi gegründet hatte, lag etwa auf diesem Weg.
»Ich muß nach Taong, Onkel Achmed.«
»So? Du? Ganz allein?«
»Das bin ich gewöhnt«, lächelte sie.
»Ich kann es mir vorstellen … Man sieht's dir an. Und wie willst du nach Taong fahren?«
»Genau das wollte ich mit dir besprechen.«
»Du willst es mit mir besprechen, weil du weißt, daß ich den Landrover habe, nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich wollte dich eigentlich fragen, ob ich irgendwo einen mieten kann. Mit einem normalen Wagen kommt man nicht nach Taong.«
»Wann willst du dort hinfahren?«
»So bald wie möglich.« Sie blickte hinaus auf das lebhafte Kommen und Gehen in der Bazar-Passage, in der Achmeds Laden lag: »Morgen.«
»So, morgen?« Er kicherte. »Vielleicht ist das sogar eine gute Idee … Ich habe in Moong zu tun. Vielleicht lasse ich mich überreden, dich raufzubringen, wenn du mich schön bittest. Ich hole uns einen Kaffee …«
Sie blickte ihm nach.
Zuerst der Besuch im Blauen Haus, dann das Gespräch mit Rick. Sie fühlte sich erschöpft und überfordert. Es war zuviel gewesen … Schlimmer, so enttäuschend, so verzweifelt enttäuschend, daß sie fühlte, wie ihr wichtigster Besitz, ihre Sicherheit zu schwinden begann.
Ich fliege Freitag, hatte Rick gesagt? Am Samstag würde er in Kualang sein. In fünf Tagen!
Sie würde ihre Pläne nicht ändern. Dan Carpenter, der noch immer die Station leitete, besaß einen geländegängigen Toyota. Auch wenn ihr die Vorstellung, am Wochenende wieder die ganze Strecke nach Kualang zurücklegen zu müssen, widerstrebte, es blieb keine andere Möglichkeit. Nach dem Auftritt mit ihrem Großvater mußte sie raus aus der Stadt. Und das so schnell als möglich. Sie kannte ihn. Er war zu allem fähig. Er konnte ihr den Aufenthalt in Kualang unerträglich machen.
Allerdings: Sie hatte noch eine wichtige Aufgabe in Kualang zu erledigen …
»Weißt du, ob Wahid hier ist?« fragte sie, als Achmed ihr das Kaffeetäßchen zuschob.
»Welcher Wahid? Dein Freund, der Prinz?«
»Ja.«
»Wieso ist das wichtig für dich, mein Täubchen?«
»Oh, das ist eine lange Geschichte. Ich erzähl' sie dir noch … Aber ist er hier in Kualang?«
»Wie soll ich das wissen?« sagte Achmed, und seine Augen wurden noch runder als sonst …
Zur selben Zeit stand J.P. Bernier vor dem Spiegel seiner Suite im Palace und betrachtete nachdenklich die seriöse, graumelierte Haarpracht seines Toupets.
Er fluchte leise und schob dann die Fingerspitzen unter das Halteband. Na und? Er riß sich das ganze Toupet vom Kopf: Die Scheiße mit den Dingern war, daß du dich richtig daran gewöhnen konntest, eine Menge Haare auf der Birne herumzuschleppen. Und sah ja auch nicht mal übel aus. Aber dann kommst du in eine Gegend wie die hier. Und was passiert? Die kleinen, grauen Zellen fangen unter dem ganzen Kunstrasen an zu kochen.
Er ging an den Barschrank, nahm eine Cola und zündete sich sogar eine Zigarette an, allerdings nur, um sie sofort wieder auszudrücken. Eine blöde Angewohnheit: Vor dem Job der Griff nach der Packung … Da nützt es gar nichts, daß du vor drei Jahren mit dem Rauchen aufgehört hast.
Die Nerven? Mach keine Witze …
J.P. zog die lichtblaue Popelinhose aus und hängte sie sorgfältig auf den Bügel. In diesem eher besseren Hotel würde er sie noch brauchen. Er mochte den Laden nicht. Grundsätzlich waren ihm kleine Hotels lieber, man erfuhr mehr über die Leute und den Ort, in dem man sich befand. Umgekehrt aber
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