Im Auftrag des Tigers
palmwedelgedeckten Gehöfte waren zu arm, um sich ein Auto leisten zu können.
»Hast du Tuan Dan angerufen?« fragte Achmed durch den Krach des Diesels. Die Steigung machte dem Landrover zu schaffen.
»Dan? Wieso? Geht doch gar nicht. Er hat …«
Doch kein Telefon, hatte sie sagen wollen. Sie konnte es nicht.
Achmed schaltete in den zweiten Gang. Der Diesel rülpste. Nun stieg aus seinem Kühler weißer Dampf auf.
»Er will nicht, er will nicht … Er will schon wieder nicht!« brüllte Achmed zornig.
»Was ist denn?«
»Was ist, was ist?! Was wird sein? Der Kühler. Dieser Dieb von Garagist! Ich hab' ihn erst letzte Woche dort gehabt. Immer der Ärger mit dem Kühler. Und ich muß doch bis zwölf in Moong sein … Es ist besser, wir machen eine Pause.«
Er fuhr den Wagen zur Seite, stellte den Motor ab. Noch immer wehten vereinzelt hauchdünne Nebelstreifen über die naßglänzenden Mauern der Tee-Terrassen. Es blitzte an den Stellen, wo sich der Regen der Nacht eine Bahn ins Tal gebahnt hatte. Vor dem milchigen Weiß da unten wirkten die Bäume wie Schattenrisse. Die Zeit des Monsun näherte sich.
»Keine Sorge, Küken …« Achmed lachte schon wieder: »Von Moong ist es nicht mehr allzu weit in den Wald. Und da gibt's dann keine Berge mehr. Es geht wieder abwärts.«
»Sag mal, wie soll ich denn in Taong anrufen?«
»Der Tuan hat Funktelefon.«
Ihr Herz schlug schneller: »Im Ernst?«
»Ich mache gern Scherze, Küken. Aber doch nicht über alles.«
Fantastisch, dachte sie. Auch in Moong gibt es Telefon. Von dort kann ich anrufen. Dan kann mich in Moong abholen.
Sie stiegen aus. Mayas Rücken schmerzte. Sie schüttelte die Beine, während ihre Augen die Serpentinen verfolgte, die die Straße zwischen den Terrassen hinab ins Flußtal nahm. Dort unten bewegte sich ein schwarzer Punkt, verschwand schnell, erschien jetzt bereits auf der Geraden, die zur nächsten Kurve führte: ein Motorrad.
Nun konnte man das Motorengeräusch hören.
Achmed drehte den Kopf. »Da kommt einer.«
»Ja«, sagte sie, »es gibt noch mehr Leute, die an diesem Morgen nach Moong wollen.«
Das Motorrad bog um die Kurve, verlangsamte die Fahrt, der dumpfe, satte Ton des Motors klang den Hang hoch, und als die Maschine nun vorüberkam, drehte der Fahrer kurz den Kopf und hob die Hand. Sein Gesicht unter dem Helm mit herabgeschobenem Visier war nicht zu erkennen. Sein hellgrüner, leichter Overall bauschte sich im Wind, seine Füße steckten in durchsichtigen, billigen Plastiksandalen. Trotzdem, dachte sie, der Helm, der grüne Overall? Merkwürdig …
»Einer von uns ist das nicht«, sagte Achmed.
»Was dann?«
»Orang Asing. Diese Ausländer. Sind wie die Flöhe, schwärmen überall aus. Hüpfen aus Flugzeugen, mieten sich Autos oder Motorräder und verpesten die Welt. Aber Geld bringen sie auch.« Achmed kicherte. »Ich seh' schon, eines Tages werde ich in Moong noch eine Filiale eröffnen müssen …«
Sie sah die Straße hoch. Ein Ausländer? Richtig. Breite Schultern, ziemlich groß, schwer … Sicherlich kein Malaie.
»Und Moong, das Dreckskaff«, lachte Achmed, »wird ein Hotel kriegen. Mit Swimmingpool und Hubschrauber-Landeplatz und all diesem Zeug. Wer kennt schon den Ratschluß des Allmächtigen? Wer weiß schon, was er mit uns noch alles vorhat … Aber die in KL, die spinnen. Die Unzucht hat ihren Geist verwirrt. Sie haben zu viele Huren dort und Bordelle. Das wird es sein …« Er kam in Fahrt. »Obwohl, auch die Mädchen müssen ja leben. So viele sind aus Kualang nach Kuala Lumpur oder in den Westen gezogen. Dort arbeiten sie richtig als Sekretärinnen oder Angestellte bei den Ausländern. Bauen Fernseher und dieses Halbleiterzeug. Vielleicht gibt es eines Tages auch bei uns Wolkenkratzer, wie der Präsident das will … Sogar in Moong. Noch ist dort Wald, aber sie werden ihn schlagen … Ist das wahr, mein Küken?« Er machte eine Pause.
»Ist das wahr?«
»Daß der Tenenga-Wald dir gehört. Bis hinab an die Panan-Fälle.«
»Wer sagt das?«
»Ibraim. Kennst du doch, den Ibraim. Er ist der Moschee-Beleuchter. Ein ganz wichtiger Mann. Und er hat die besten Kontakte überall.«
»Und was sagte Ibraim?«
»Daß Sultan Omar Hassan das ganze Tenenga-Gebiet deinem Vater überschrieben hat, damit er dort dafür sorgt, daß nicht nur die Waldmenschen, sondern auch die Tiger und all die anderen Tiere, die es noch gibt, in Frieden weiterleben können, wie sie es immer getan haben. Und daß nun, nachdem der
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