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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verteilte er Pillen, die gegen das Fieber helfen sollten. Und andere, die man ins Wasser tun müsse, damit es nicht krank mache.
    Die Männer des Kampongs nickten höflich. Pillen gab es immer. Es war ein Ritual. Zu dem auch gehörte, daß sie sie sofort in die Büsche warfen, kaum daß der D.O. in seiner Eisen-Libelle verschwunden war. Sie hatten ihre eigene Medizin. Und außerdem hatten sie ihre Geister …
    »Kannst du auch lesen?« fragte der District Officer.
    Tara schüttelte den Kopf. Dann sagte er: »Englisch, ja.«
    Damit übertrieb er. John hatte ihm anhand seiner Zeitungen gezeigt, was die englischen Buchstaben bedeuteten, und er hatte viele Worte gelernt, aber es waren einfach zu viele gewesen.
    Der D.O. sprach nun mit dem Chinesen.
    Dann wandte er sich wieder an Tara: »Diese hier sind gute Menschen. Sie sind Freunde. Sie sind wie die Brüder unseres Volkes. Außerdem sind sie große und reiche Datuks. Und sie kennen den Wald …«
    Tara nickte. Das ›Sie kennen den Wald‹ machte ihn mißtrauisch. Er stützte sich auf das Blasrohr, das er zum Empfang des D.O.s mitgebracht hatte.
    »Sie haben auch gesehen, wie ihr lebt. Nicht nur ihr, sie waren unten bei den Icas und den Pinan.«
    Tara nickte. Nun wurde er neugierig.
    »Sie haben gesehen, wie dort die Kinder starben und die Alten. Sie haben erlebt, wie sie hungerten, und daß viele nicht einmal mit einem Gewehr umgehen konnten. Oder mit einem Radio. Das hat ihr Herz ergriffen … An der Mündung, aber auch weiter drüben am Ulan-Berg haben sie mit den Menschen gesprochen und sind ihre Freunde geworden. Sie wollen ihnen helfen. Sie werden eine Schule errichten, damit sie die Worte der anderen reden können, so wie du. Sie haben auch zu essen gebracht. Und wenn die Menschen der Icas und Pinan krank werden, können sie zu ihnen kommen und werden umsonst behandelt.«
    »Wo werden sie umsonst behandelt?«
    »Wo? In der Krankenstation im Camp natürlich.«
    Also doch! ›Camp‹ bedeutete Company! Er hatte es sich gleich gedacht …
    »Die Pinans haben mit ihnen einen Vertrag geschlossen. Und unsere Regierung unterstützt sie dabei. Denn das Werk bringt Segen. Sieh mal, das ist der gleiche Vertrag. Und da du sogar lesen kannst, wenn auch nur Englisch …«
    Er drehte sich zu den beiden Chinesen, die ihn mit ihren Pferdegebissen anstrahlten. Sie nickten eifrig. Der größere nahm ein Blatt Papier aus seiner Tasche und reichte es Tara.
    Tara sah die dunklen Abdrücke von Männerdaumen am Blattende.
    Icas, dachte er, Pinans? … Sie haben Hunger, hatte der D.O. gesagt. Die Icas, nun gut, aber die Pinan wohnten weit unten an der Mündung des Flusses, nicht im Wald. Sie wußten nichts von der Jagd, ja, kaum etwas vom Fischen. Sie bauten Sago an. Und Gemüse. Und sogar Kaffee … Sie hatten Reis und Süßkartoffeln. Sie hatten keinen Hunger.
    Der D.O. hatte gelogen.
    Die Männer warteten. Die Chinesen lächelten. Tara aber sah sich plötzlich wieder im Camp, sah all den Dreck und Schmutz, sah die Besoffenen, sah den Datuk, den Bazar-Chinesen, die Traktorfahrer, sah sie alle – und sah den toten John unter dem gelben Tier …
    »Nein.«
    »Nein? Was nein?«
    »Ich verstehe dieses Papier nicht. Und ich will es nicht verstehen. Wir kümmern uns um uns selbst. Noch gibt es bei uns Nahrung und Wild. Die Tiere sind unsere Freunde. Selbst wenn wir sie essen, bleiben sie es. Sie sind gute Geister. Wir brauchen eure Geister und euer Essen nicht. Ich weiß wie es schmeckt, euer Essen.«
    Der Datuk schwieg. Er bekam drei Linien in die glatte Haut seiner Stirn. Die Löcher in seiner Knopfnase wurden weit, seine Augen rund: »Wie redest du? Jetzt hör mal gut zu: Du kannst hundertmal nein sagen, das ändert nichts. Gar nichts ändert das. Nichts!«
    Eine der Frauen, Inun, Taras Kusine, sagte: »Wenn Tara sagt nein, dann sagen wir alle nein.«
    »Sei still! Frauen haben hier nichts zu sagen.«
    Tara blickte den D.O. an, lange, sehr lange. Dann sagte er: »Unsere Frauen gebären uns. Unsere Frauen kochen. Unsere Frauen roden den Wald und pflanzen Gemüse. Unsere Frauen nehmen das Wild aus, das wir ihnen bringen. Sie holen Früchte im Wald. Sie pflegen uns, wenn wir krank sind und sie erziehen unsere Kinder. Deshalb haben unsere Frauen dieselbe Stimme.«
    »Darum geht es nicht. Es geht darum …«
    »Doch«, unterbrach Tara den D.O. »Genau darum geht es. Bei uns gibt es keinen Gemeindevorsteher. Und keinen Datuk. Wir alle denken das gleiche, denn wir atmen dieselbe Luft, wir

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