Im Auftrag des Tigers
sowieso in 'ne Stadt.«
Tara hatte den Kopf geschüttelt.
Dies war nicht sein Leben. Er hatte nie in der Sonne gearbeitet, immer nur in der angenehmen grünen Dämmerung der Blätter und Pflanzen. Er haßte die Sonne, er haßte den Lärm, den Dieselgeruch, die fremden Männer, ihr Geschrei, ihre Dummheit, ihre Huren, ihren Fraß. Er würde vielleicht noch ein Jahr durchhalten, wie der Chinese ihm vorgeschlagen hatte, denn sie hatten seinen Lohn verdoppelt, er war Maschinisten-Gehilfe geworden und bekam viele Ringgits. Aber dann würde er zu seinen Leuten gehen. Zurück in den Wald …
»Und was hast du davon?« fragte John.
»Und was hast du davon?« fragte Tara und deutete über den stinkenden, aufgeweichten Morast zwischen den Arbeiterhütten auf den Kochschuppen, wo Köche Büchsen öffneten und ihren ekligen Inhalt in Töpfe schütteten. Dort aßen sie längst nicht mehr. Tara kochte: gut gewürzte Fische, die er in Blätter hüllte, ehe er sie ins Feuer legte. Dazu Reis. John war sehr zufrieden.
Doch eines Tages starb er. Und nur Taras gute Geister hatten verhindert, daß er dasselbe Schicksal erleiden mußte.
Der neue Ziehweg vom Fluß war vom Regen aufgeweicht. John hatte Tara noch aus dem Führerstand geholt, um selbst das ›gelbe Tier‹ zu steuern. Er hatte ihn angewiesen, darauf zu achten, daß die Bulldozer-Ketten festen Grund behielten.
Tara kam nicht mehr dazu, es zu prüfen. Er war ein paar Schritte vorausgegangen, wollte sich gerade umdrehen, als er hinter sich den Motor des Bulldozers aufbrüllen hörte. Und dann ein Kreischen von Metall, das Kreischen eines verwundeten Tieres …
Er wirbelte herum.
Dort, wo gerade noch die Straße gewesen war – nichts als ein halbrund ausgefranstes Loch!
Unten aber, am Fuß der Böschung hing das große, gelbe Tier. Es lag auf dem Rücken wie ein hilfloser Käfer und verströmte Rauch und Ölgestank.
»John!«
Tara lief den Berg hinab.
Sein rechter Fuß blieb in der schlammigen Erde hängen. Er stürzte, rappelte sich wieder hoch, fiel wieder hin, kroch auf allen Vieren weiter, langte am Bulldozer an – und sah: Das Führerhaus war eingedrückt. Die schweren Stahlrohre hielten John gefangen wie die Kiefer eines Krokodils. Sein Gesicht war weiß wie Papier. Aus dem offenen Mund rann Blut.
Er konnte nicht mehr atmen. Und war doch nicht tot. Er blickte aus weit aufgerissenen Augen Tara Radan an. Und dann versuchte er etwas wie ein Lächeln: »Junge, Junge …« Es war kaum zu hören. »Laddy … Geh … Geh in deinen Wald …«
Tara zerrte an den Teufelsrohren mit all der Kraft, die er in seiner Aufregung aufbieten konnte. Sie blieben hart. Sie waren zu stark für ihn. Sie töteten John …
Andere Männer kamen mit einem Schweißgerät.
Sie versuchten, Tara zurückzuziehen. Er hielt sich fest.
»Geh, Laddy …«, flüsterte John. »Geh nach Hause … Laß dich … laß dich nicht von denen ins Knie ficken … wie ich …«
Sein Kopf fiel zur Seite.
John war tot …
Tara kündigte zwei Stunden später. Der Chinesen-Datuk machte nicht einmal den Versuch, ihn zum Bleiben zu überreden. Er war wohl der Überzeugung, daß Tara von nun an nichts mehr wert sei. Und damit hatte er recht.
Tara bekam viel, viel Geld ausbezahlt: farbiges Papier. Das farbige Papier steckte in einem braunen Umschlag. Seine Sozialkarte lag auch dabei. Im Camp-Bazar, beim Bazar-Chinesen kaufte er sich das Gewehr. Nicht eine der alten, verschrammten Kugelspritzen, sondern ein neues. Der Bazar-Chinese gab ihm auch Munition, nähte Gewehr und Munition in einen alten Jutesack, stopfte Stroh und Baumwolle hinein und umwickelte das Paket mit starkem Garn.
»So fällst du nicht auf, falls die Polizei fragt.«
Doch auf der ganzen langen Fahrt hinauf in die Berge des Sultanats Jorak kontrollierte kein einziger Polizist den Bus. Tara stieg in der Hauptstadt aus, in Kualang. In Kualang wohnte auch die Familie des Chefs der Station.
Der Lärm, die vielen Menschen und Autos verwirrten ihn. Am liebsten wäre er geflohen. Er schleppte den Gewehrsack und sein anderes Gepäck mit den Geschenken zu dem großen blauen Haus, das man ihm wies. Der Tuan war da. Seine Tochter fiel ihm um den Hals. Und so, wie Tuan ihn damals vor vielen Monaten zum Lastwagen geführt hatte, der ihn an die ferne Küste brachte, so hieß er ihn jetzt in den Jeep einzusteigen und fuhr mit ihm in den Wald zurück …
Im Dorf hatte sich vieles verändert.
Ana, der Älteste, war gestorben. Die Menschen hatten seinem
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