Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
bezahlst, gehen dieses Haus und die Weinkellerei in meinen Besitz über, und dann kannst du zusehen, wo du mit deiner Familie bleibst.«
Fassungslos starrte Elias die Tafel an. Auch wenn er nicht richtig lesen konnte, verstand er sich doch auf Unterschriftensiegel und konnte Zahlen erkennen. Da er keinen Grund sah, Jothams Worte anzuzweifeln, ließ er David gar nicht erst rufen. Nur: Im Haus gab es nichts mehr, was er verkaufen konnte, nicht einmal die Weinkellerei ließ sich veräußern, da sie ja eigentlich Jotham gehörte.
»Gib mir einen Tag Zeit«, brachte er stockend hervor. Als er einen eigenartigen Schmerz in der Brust spürte, musste er unwillkürlich an seinen Großvater denken, der gestorben war, weil sich ein Dämon in seinem Herzen eingenistet und es ausgequetscht hatte.
»Einen Tag?«, sagte Jotham. »Einverstanden, dann komme ich morgen um die gleiche Zeit wieder.« Wenn Elias das Geld nicht aufbrachte, wollte Jotham das Anwesen sofort zum Verkauf anbieten. Auf jeden Fall würde ihm ausreichend Kapital zur Verfügung stehen, um die Mehrheitsanteile an dem Eisenerzverhüttungswerk zu übernehmen.
Kaum war Jotham zufriedenen Schrittes davongegangen, hörte Elias Frauenstimmen durchs Haus schwirren – Avigail, die Hannah und Leah, Esther und Saloma zu Arbeiten antrieb, die einstmals von Sklavinnen und Dienerinnen verrichtet worden waren. Und er wurde sich der entsetzlichen Tatsache bewusst, dass es nur eine Möglichkeit gab, seine Schulden zu begleichen, damit seine Familie weiterhin unter diesem Dach leben konnte.
Er musste sich in die Sklaverei verkaufen.
Bis zum Abend war es nicht merklich kühler geworden, der Duft von Spätsommerblumen erfüllte die Luft. Elias war wegen dringender geschäftlicher Angelegenheiten noch in der Stadt, Avigail und Hannah hielten Wache in der Schlafkammer von Saloma, deren Niederkunft bevorstand. Um Baruch, Tamars Baby, kümmerte sich eine Amme.
Leah und David hatten sich aufs Dach geflüchtet, wo die feuchte Hitze besser zu ertragen war. Nobu war auf Davids Geheiß in der Unterkunft der Bruderschaft geblieben, um für seinen Meister Federn und Ritzstifte zuzuspitzen und Ton vorzubereiten.
Durch seinen Besuch bei Leah wollte David zeigen, dass er der Familie in ihren schweren Zeiten beistand. Jetzt jedoch drängte es ihn, Leah von seinen eigenen Problemen zu erzählen. »Wenn Yehuda König wird, wird sich die Korruption innerhalb der Bruderschaft auf andere Bereiche ausdehnen. Er muss daran gehindert werden, den Thron zu besteigen.«
»David, in Ugarit weiß man nichts von Yehudas Lastern. Man hat Gerüchte über seine Fallsucht gehört, mehr aber nicht. Zira hat es meisterhaft verstanden, allen vorzugaukeln, Yehuda sei der Inbegriff von Moral und Ehre. Du und ich wissen es besser, aber wir sind die Einzigen! Du musst die Leute informieren. Wenn die führende Schicht von Ugarit die Wahrheit über Yehuda erfährt, wird sie ihn nicht zum König wählen.«
David schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich, Leah. Sobald bekannt wird, wie korrupt es innerhalb der Bruderschaft zugeht, könnte jeglicher Respekt, der jetzt noch herrscht, vollkommen zusammenbrechen. Und vom Rande eines solchen Abgrunds könnte selbst ich die Brüder nicht zurückreißen. Ich habe dem alten Rab hoch und heilig versprochen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, der Bruderschaft zu helfen, ohne dass sie an Ansehen verliert.«
»Aber wenn du Yehudas Machenschaften nicht anprangerst, wird er zum König gekrönt, und dann geht es mit dem moralischen Verfall der Bruderschaft – und von Ugarit insgesamt – noch rapider bergab!«
David ging zu der Mauer, die in Hüfthöhe das Dach einfasste. Er beugte sich vor, legte die Hände auf die von der Tageshitze noch warmen Lehmziegel. »Es muss einen anderen Weg geben.«
Leah trat neben ihn. »Ist es denn wirklich so, dass der König im Sterben liegt?«
»Es heißt, er werde die nächste Woche nicht mehr erleben. Mögen die Götter ihn beschützen.«
»Was fehlt ihm eigentlich? Bis vor kurzem war er doch noch gesund und munter.«
»Angeblich quält ihn der Dämon, der die Luftröhre einschnürt.«
Leah krauste die Stirn, dachte lange nach und sagte dann: »Hat uns nicht Tante Rakel ein Heilmittel dafür verraten?«
»Daran kann ich mich nicht erinnern.«
»In Jericho nennt man diese Krankheit Lungenbrand. Das scheint mir aber genau das Gleiche zu sein.«
Er schaute sie an. Wegen der Hitze hatte sie auf einen Schleier verzichtet. Ihr Haar
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