Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
gegeben habe, brechen werde.«
Der Rab schloss die Augen. Mit letzter Kraft sagte er: »Dann kann ich also wieder hoffen, David von Lagasch. Denn ich befürchte, dass unter der Leitung von Yehuda unsere Bruderschaft dem Untergang geweiht ist. Ich gehe in Frieden zu den Göttern, mein Sohn, weil ich dir glaube …«
Der Bankkaufmann im Haus des Goldes hieß Isaak, und das, wozu Jotham ihn nötigte, missfiel ihm.
Als sie zu später Stunde – die Angestellten waren bereits nach Hause gegangen – in seinem Büro goldene Ringe abwogen, verfluchte Isaak im Stillen den Tag, an dem er Jotham aufgesucht und ihn um einen Gefallen gebeten hatte, mit der Zusage, sich dafür seinerseits erkenntlich zu erweisen. Jetzt ging es um die Einlösung dieses Versprechens. In Form von unredlichem Geschäftsgebaren.
Geldtransaktionen waren vertraulich, die Unterlagen wurden verschlossen aufbewahrt. Und obgleich Isaak geschworen hatte, niemals das Vertrauen eines Kunden zu missbrauchen, blieb ihm jetzt nichts anderes übrig. Der Kunde war Elias der Winzer, und bei der vertraulichen Information, die er preisgab, handelte es sich um das Hypothekendarlehen, das dieser auf seine Villa und seine Kellerei aufgenommen hatte, um in ein neues Eisenerzverhüttungswerk zu investieren. Wie Jotham von dem Darlehen Kenntnis erhalten hatte, wusste Isaak nicht; umso heftiger hatte er seine eigene Schwäche verflucht, die Stunde seiner Geburt und selbst die Götter, als der Schiffbauer vor einer Stunde mit einer bis obenhin mit goldenen und silbernen Ringen gefüllten Kiste an seiner Tür auftauchte.
»Jetzt!«, stellte Jotham befriedigt fest, als sich die beiden Waagschalen auf gleicher Höhe einpendelten und seine goldenen Ringe dem Gewicht der Goldbarren entsprach, die Isaak zum Abwiegen verwendete. »Das ist genau der Betrag, den Elias der Bank schuldet. Zuzüglich Zinsen.« Er streckte die Hand aus.
Isaak fühlte sich hundeelend. Die Wände seines Büros waren bestückt mit Regalen, in denen sich Tontafeln stapelten, auf denen finanzielle Vereinbarungen, Darlehen und Zahlungen, Handelsabkommen, zur Sicherheit hinterlegte Besitzurkunden von Grundstücken schriftlich festgehalten waren. Dort lag auch die Tafel mit den Einzelheiten über Elias’ Hypothekendarlehen. Für dieses Darlehen hatte Jotham soeben den Gegenwert hingelegt, und jetzt erhob er Anspruch auf die Tafel. Das war nicht unbedingt illegal, aber unmoralisch und sittenwidrig. Weil aber Isaak Gefahr lief, seines lukrativen Postens in der Bank enthoben zu werden, wenn dies herauskam, würde er, wie Jotham wusste, kein Wort darüber verlieren.
Nur zögernd gab er die beidseitig beschriebene Tafel heraus, auf der in Keilschrift die Einzelheiten von Elias’ Vereinbarung mit der Bank vermerkt waren, einschließlich der unterzeichneten Zusage, den gesamten Betrag auf Anforderung zurückzuzahlen. Da Isaak besser als jeder andere um die finanzielle Situation des Winzers wusste, konnte er sich vorstellen, welch ein Tiefschlag dies für Elias bedeuten würde. Wahrscheinlich das endgültige Aus.
Jenseits der unsinnigen Fehde zwischen Jotham und Elias – um eine Tochter! – wusste Isaak auch, dass Jotham zu dieser späten Stunde im Hochsommer eine Gier umtrieb, die von keiner Frau gestillt werden konnte: Er wollte sich die Mehrheitsbeteiligung an dem neuen Eisenerzverhüttungswerk sichern, das mehrere Geschäftsleute gemeinsam zu errichten gedachten. Durch den Aufkauf von Elias’ Anteilen hatte er dieses Ziel jetzt erreicht, und darüber hinaus vernichtete er seinen Feind ein für alle Mal.
Für Isaak den Bankier war es die schlimmste Nacht seines Lebens, als er Jotham mit der kostbaren Tafel abziehen sah. Er wandte sich der Statue des Dagon in einer Wandnische zu, entzündete ein neues Weihrauchbällchen und fing an zu beten.
Vor dem Haus von Elias angelangt, forderte Jotham, vorgelassen zu werden. Ohne Umschweife wies er eine Tontafel vor und sagte: »Dies ist ein Wechsel mit meiner Unterschrift und der meines Neffen, Rab Yehuda, der das Dokument ausgefertigt hat. Es besagt, dass der Bankwechsel, den du für das Darlehen in Höhe von fünf Gewichten Gold unterzeichnet hast, mir gehört. Besagten Bankwechsel, der sich in meinem Besitz befindet, händige ich dir aus, wenn du mir den Gegenwert bezahlst. Die Villa und die Weinkellerei, die du der Bank als Sicherheit verpfändet hast, fallen dann natürlich wieder an dich zurück. Wenn du mir aber diesen Betrag nicht unverzüglich
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