Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
beendete David sein Gebet zu Shubat und erhob sich. So vieles ging ihm im Kopf herum, dass ihm nicht auffiel, wie sehr seinem Sklaven neuerdings das Wohlergehen von Elias und seiner Familie am Herzen lag. Wie konnte er auch ahnen, dass sich Nobu verliebt hatte?
»Ich bin bereit«, sagte er, ohne recht zu wissen, inwieweit seine Anwesenheit bei der Sklavenversteigerung Elias helfen konnte. Dennoch wollte er seinen geschätzten Dienstherrn dort oben auf dem Podium nicht ohne freundschaftlichen Beistand seinem Schicksal überlassen. Und sollte zufällig jemand in der Lage sein, vorzutreten und Elias vor einer solchen Katastrophe zu bewahren, wollte David zur Stelle sein, um Rat anzubieten oder Briefe vorzulesen, Verträge zu prüfen – was immer, um den Mann zu unterstützen, in dessen Diensten er ein Jahr lang gestanden hatte.
Vor allem aber wollte er da sein, um Leah zu trösten. Mit ansehen zu müssen, wie ihr Vater verkauft und in Ketten abgeführt wurde, würde ihr das Herz zerreißen.
Am Ende des Ganges, den er und Nobu entlangeilten, sahen sie Rab Yehuda im Gespräch mit zwei Schriftgelehrten. »Wohin des Weges, David?«, fragte er, als sich die beiden näherten.
»Zu einer privaten Verabredung, Ehrenwerter Rabbi.«
»Es gibt Arbeit für dich«, sagte Yehuda. »Auf der Aprikosenplantage eines gewissen Xylus. Er möchte mehrere Briefe diktieren und zwei Urkunden ausfertigen lassen.«
»Aber die Plantage von Xylus liegt weit im Süden, Ehrenwerter Rabbi. Dort hinzugelangen dürfte viel Zeit in Anspruch nehmen, abgesehen von der umfangreichen Schreibarbeit …« Er ließ den Kopf sinken. »Ich werde sofort aufbrechen, Ehrenwerter Rabbi.« Dennoch wollte er mit Nobu zuvor zur Sklavenversteigerung gehen und erst dann die Stadt verlassen.
»Du wirst dort auch übernachten«, fügte Yehuda hinzu.
Nobu wollte Einspruch erheben, aber ein Blick von David ließ ihn verstummen.
Rab Yehuda wandte sich bereits zum Gehen, blieb dann aber nochmals stehen. »Du brichst sofort auf«, wies er David an, »ohne vorher persönliche Angelegenheiten in der Stadt zu erledigen. Xylus erwartet dich.«
David verneigte sich. »Sehr wohl, Ehrenwerter Rabbi«, murmelte er, während er die Fäuste ballte. »Die Götter seien mit dir.«
»Halla!«,
stieß Saloma aus und griff sich an den Leib. Leah und Esther waren sofort zur Stelle, redeten ihr gut zu, netzten ihre Lippen mit Wein und bereiteten sich laut betend auf die Niederkunft der Sklavin vor.
Kaum hatte sich in der Stadt die Kunde verbreitet, dass sich Elias der Winzer zum Verkauf anbot, drängte es immer mehr Schaulustige zur Sklavenversteigerung. Entweder um sich selbst zu überzeugen, ob das, was man gehört hatte, stimmte, oder um Mitgefühl zu bekunden – oder sich hämisch zu freuen. Freunde berieten untereinander, ob sie gemeinsam genug Geld zusammenkratzen könnten, um Elias zu kaufen. Aber was dann? Er war ruiniert – wie sollte er ihnen den Kaufpreis zurückerstatten?
»Wie viel wollt ihr für diesen prächtigen Sklaven bezahlen?«, brüllte der Sklavenhändler.
»Zehn Gewichte Silber!«, rief ein Kaufinteressent aus Sidon.
»Ein Bettel ist das!«, entgegnete der Sklavenhändler, auch wenn er das Angebot als erfreulich wertete. »Wer bietet mehr?«
»Zwanzig Gewichte Silber!«, kam es von einem Mann, der seiner Kleidung nach aus dem fernen Jerusalem stammte.
»Die Götter blicken auf uns nieder«, mahnte der Sklavenhändler. »Seid also vernünftig. Seid besonnen!«
»Ein Gewicht Gold!«, rief ein Mann, dessen mit Fransen besetzte Gewänder sowie der kegelförmige Hut ihn als Babylonier auswiesen.
Jotham grinste in sich hinein. Nicht mehr lange, und das Eisenverhüttungswerk würde ihm unterstehen.
Saloma hockte sich auf den Gebärschemel, rief bei jeder Wehe die Namen der Götter an. Schweiß rann ihr übers Gesicht. Vor ihr kniete Leah mit ausgestreckten Händen, bereit, das Baby aufzufangen, während Esther beruhigend Salomas Handgelenke umfasste. »Asherah ist mit uns«, sagte sie. »Ruf sie an, Saloma.«
Rempelnd und schubsend versuchten sich Schaulustige auf dem bereits überfüllten Sklavenmarkt vorzudrängeln. Wer nicht mitbot, schloss mit anderen Wetten ab, an wen Elias der Winzer schlussendlich versteigert werden würde.
»Zwei Gewichte Gold!«
»Drei Gewichte!«
»Meine Freunde, die Götter lächeln uns zu! Höre ich vier Gewichte?«
»Sprich ein Gebet, Saloma, es ist fast da!«
»Pressen, Saloma!«
»Asherah sei mit
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