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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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stopfte den Schmuck in einen Sack, zusammen mit Brot, Nüssen und gepökeltem Fisch.
    Nobu startete abermals einen Versuch. »Meister, ich muss gestehen, dass ich mein Herz an Esther verloren habe. Wenn du und ich nach Süden ziehen, ist niemand mehr da, der die Familie beschützt!«
    »Dann bleib doch hier! Ich jedenfalls mache mich auf die Suche nach Leah!«, rief David, während er seinen Umhang aus edlem Angora in die Decke einschlug, die ihm als Schlafunterlage dienen würde, und ihn gegen einen grob gewirkten braunen vertauschte, den er sich, um weniger aufzufallen, auf dem Markt besorgt hatte. Dann stieg er auf.
    Nobu besah sich das für ihn bestimmte Pferd. Das letzte Mal, dass er auf einem solchen Ungetüm gesessen hatte, war vor sechs Jahren gewesen, als sie von Lagasch nach Ugarit gezogen waren. Mit größtem Widerwillen hievte er sich auf den Pferderücken. Seit seiner Geburt war Nobu dem königlichen Haus von Lagasch ergeben, hatte ihm loyal gedient – und würde es auch weiterhin so halten. Mit einem stummen Gebet zu jedem Gott, der ihm einfiel, eingeschlossen die, die vielleicht keinen Namen hatten, flehte er inständig darum, sie mögen Esther und ihre Familie beschützen. Dann nahm er die Zügel auf und hoffte, sich bis zur Rückkehr nach Ugarit nicht den Hals zu brechen.
     
    Unter Yehudas wachsamen Blicken durchsuchten drei Schriftkundige Davids Unterkunft, wobei sie jede Tafel, die sie in seiner neuen Schrift fanden, zerschmetterten.
    »Das wär’s dann, Rabbi«, vermeldeten sie inmitten des Scherbenhaufens. »Wir haben alles auf den Kopf gestellt. Es gibt keine weiteren Tafeln. Die Schrift des Ketzers existiert nicht mehr.«
    Yehuda lächelte. Bei seinem Bemühen, Leah zu retten, würde David sterben und sein kostbarer neuer Code mit ihm.
     
    Vom Ende des Pfads aus beobachtete Avigail die Hauptstraße. Ein kalter, beißender Wind fuhr ihr in den Umhang, die ersten Regentropfen fielen. Sie sah David und Nobu der Stadt den Rücken kehren und nach Süden reiten.
    Sie hatten kurz an der Villa haltgemacht, um Avigail zu informieren, dass sie die Suche nach Leah aufnehmen wollten. David hatte Avigail noch einen goldenen Armreif übergeben und gesagt: »Ich würde dir ja gern mehr geben, aber das, was ich noch habe, brauche ich vielleicht als Lösegeld für Leah.« Leise fügte er hinzu: »Bete für uns. Wir kommen mit ihr zurück.« Dann war er wieder aufgesessen.
    Zu ihrer Verblüffung war Nobu, der sie mit seinem hervorstehenden Kopf oft an eine Schildkröte erinnerte, noch herausgeplatzt: »Richte Esther aus, sie soll sich keine Sorgen machen!« Dann hatten sie ihre Pferde einen schnellen Galopp anschlagen lassen und waren Richtung Süden entschwunden.
    Jetzt sah Avigail, wie die Straße nach und nach im Nachtdunkel versank. Wenn die beiden Leah nicht fanden, was dann? Was, wenn sie nie wieder zurückkam? Würden dann wirklich nur noch sie selbst, Hannah und Esther, Saloma und die beiden Knaben übrig bleiben – allein und schutzlos und auf dem Weg in die Sklaverei?

12
    »Ich bin nicht eine der Kinderfrauen«, versuchte Leah erneut klarzustellen. »Ich gehöre nicht hierher. Bitte lass mich gehen.«
    Ohne zu antworten, verteilte der ägyptische Soldat weiter Becher mit Wasser und Schalen mit Haferbrei und Honig an die Insassen des Planwagens. Im Morgenlicht sah Leah, die das Essen in Empfang nahm und an ihre Gefährtinnen weitergab, wie über die Staubstraße eine verlotterte Horde Kinder und Frauen auf die Soldaten zukam. Immer zahlreicher wurden sie, diese bedauernswerten Menschen, die der vorrückenden Armee des Pharaos zu entkommen suchten. Sie waren Flüchtlinge, hatten ihre Männer und ihr Zuhause verloren und wussten nicht, wo sie hinsollten. Als eine der Frauen um etwas zu essen bat, zog ihr ein Soldat eins mit der Peitsche über und verscheuchte damit auch die anderen.
    Der Verschlag hinten am Planwagen wurde wieder geschlossen, und Leah sowie die verschreckten Kinderfrauen im Halbdunkel sahen sich ihrem ungewissen Schicksal überlassen.
    Seit zehn Tagen waren sie jetzt unterwegs – eine anstrengende Reise in dem schwankenden und rumpelnden Wagen, der nur anhielt, um den Frauen zu gestatten, sich entlang der Straße ein Plätzchen zur Verrichtung ihrer Notdurft zu suchen. Ihr Aufbruch aus dem Palast war in aller Eile erfolgt; Wagen und Wachen war daran gelegen, bis zum Anbruch des Tages Ugarit so weit hinter sich zu lassen, dass nach Entdeckung der schändlichen Tat die Soldaten des

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