Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
es.«
»Wie wollt ihr vorgehen?«
Kaptah sah das schmale traurige Gesicht mit den tiefliegenden Augen und den großen Schneidezähnen seines Gegenübers lange an. Ein unsympathischer Kerl, dieser Fremde, befand er. Aber seine Kenntnisse wiesen ihn als Mann von hohem Stand und Einfluss aus, weshalb sich die Zusammenarbeit mit ihm als nützlich erweisen konnte. Leise sagte er: »Wie du weißt, hat sich Shalaaman, als er auf seine Reise zu den Fürsten der Region ging, eine weitere Ehefrau zugelegt, eine Prinzessin aus königlichem Hause. Im Jahr darauf kam sie mit Zwillingen nieder. Nicht nur Shalaaman träfe es tief, die beiden zu verlieren, sondern auch den Vater der Prinzessin, den König einer mächtigen Stadt. Auf einen Schlag zwingt Thutmosis zwei seiner Feinde in die Knie.«
»Ein kluges Vorgehen. Umso klüger, zwei auf einen Streich zu erwischen. Wann soll das stattfinden?«
»Zur mitternächtlichen Stunde am ersten Abend, den der König wieder im Palast verbringt. So kurz nach der Rückkehr dürfte es bei ihm und seinem Gefolge ein wenig drunter und drüber gehen; außerdem ist damit zu rechnen, dass alle nach der langen Reise sehr müde sind und tief schlafen. Meine Männer werden sich in die Kinderstube der kleinen Prinzen schleichen und sie zusammen mit ihren Kinderfrauen entführen. Bis die Tat entdeckt wird, haben wir Ugarit weit hinter uns gelassen.«
Aus den Tiefen eines Lederbeutels an seinem Gürtel zog Yehuda einen goldenen Ring heraus. »Wenn sich deine Leute der Zwillinge bemächtigen, soll ein weiterer deiner Männer die junge Frau, Leah, entführen. Meinem Informanten zufolge schläft sie in einem Alkoven neben der königlichen Bettkammer. Lass sie um Mitternacht entführen. Aber gib acht! Bis sie vor dem Pharao steht, muss sie gut behandelt werden. Kein Leid darf ihr zugefügt werden, sonst ist sie nichts mehr wert. Versprichst du mir das?«
Der Wirt grinste. »Die Götter lächeln auf uns herab, mein Freund!« Er stellte geräuschvoll einen Becher Bier auf den Tisch. »Lass uns darauf anstoßen.«
Aber der Rab mit dem traurigen Gesicht warf ihm nur den goldenen Ring hin und ging.
Als David und Nobu eintrafen, führte Avigail sie an das Feuer in der Küche, damit sie sich dort aufwärmen konnten. Anbieten konnte sie ihnen nur wenig – Brot und Käse und gepökelten Fisch, die Verpflegung der Familie für eine Woche. David lehnte dankend ab, drückte ihr stattdessen ein paar Kupferringe in die Hand, die sie mit Tränen in den Augen annahm, um ihm dann von Ziras Drohung zu berichten.
Während sein Meister zuhörte, ließ Nobu Esther nicht aus den Augen. Wie blass sie war! Wie eine geisterhafte Gestalt, den Schleier vors Gesicht gehalten, verharrte sie im Hintergrund. Nobu tat sie so leid. Wie gern hätte er sie in die Arme genommen und getröstet. Aber das stand ihm nicht zu, und er wollte sie auch nicht erschrecken. Sie wirkte derart schüchtern, dass sie die zärtlichen Gefühle, die er für sie hegte, bestimmt nicht als solche deuten würde.
Und jetzt – da er von Ziras neuestem Plan erfuhr, diese Familie zu quälen! – konnte er vor Zorn kaum noch an sich halten.
David hingegen blieb gelassen. »Keine Sorge, verehrte Avigail«, sagte er beschwichtigend. »Es mag Zira zwar von Rechts wegen zustehen, euch in die Sklaverei zu verkaufen, uns aber steht das Recht zu, dagegen vorzugehen. Seit ich in der Bruderschaft bin, habe ich mich mit vertrauenswürdigen Anwälten angefreundet. Die werde ich aufsuchen und mit ihrer Hilfe Ziras Vorhaben so lange hinauszögern, bis ich euren Fall vor Gericht bringen kann.«
»Asheras Segen sei mit dir, lieber David«, sagte Avigail und umarmte ihn. »Und gesegnet seien die Götter, dass sie dich vor sechs Jahren in dieses Haus geführt haben. Wir werden für deinen Erfolg beten.«
Man nannte sie die Dämonenbetörerin, und nichts, was Leah sagte oder tat, vermochte etwas daran zu ändern. Wenn sie dem König zu erklären versuchte, dass es nur die Sonne und die Wärme waren, die den Dämon, der Erstickungsanfälle auslöste, daran hinderten, von seinem Körper Besitz zu ergreifen, winkte Shalaaman nur ab. »Ich habe doch selbst gehört, wie deine Stimme den Dämon betört und ihn aus meiner Brust gelockt hat. Du kannst nicht zu deiner Familie. Deine Belohnung ist, bei deinem Herrscher zu bleiben.«
Jahrelang hatte sie ihrem König gehorcht und sich seinem Befehl gebeugt. Aber jetzt blieb ihr nichts anderes übrig als die Flucht.
Es war
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