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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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nicht ziehen, und in ein Dorf erst recht nicht. Schon eher in eine florierende Stadt wie Damaska oder Jericho, vielleicht sogar noch südlicher, vielleicht sogar bis nach Ägypten, wo Schriftgelehrte ehrenhafte Männer waren und nach einem Kodex der Ethik und Moral lebten!
    Er blieb stehen, als er Leah mit wehendem Haar auf sich zukommen sah, rief ihr entgegen, und sie lief auf ihn zu, hinein in seine Arme, wo sie schluchzte und zitterte.
    »Was ist denn? Was ist geschehen?«
    Sie schnappte nach Luft, keuchte.
»Halla!«,
rief sie aus. »David, ich kann nicht mehr atmen! Hilf mir!«
    Er zog sie unter einen Baum an der nördlichen Mauer der Villa. Wie eine Ertrinkende schnappte sie nach Luft. »Ich kann nicht …« Aus ihrer Kehle rasselte es beunruhigend. Ihre Brust hob sich, aber keine Luft gelangte in ihre Lungen. Verkrampfte Schluchzer bahnten sich den Weg, die Adern an ihrem Hals traten hervor.
    Wie um sie zu schütteln, umfasste David ihre Schultern. »Leah!«
    Aus ihrer Kehle drang ein Röcheln. Sie öffnete den Mund. Konnte nicht atmen. Er schloss sie in die Arme und drückte sie ganz fest, spürte, wie sie am ganzen Körper bebte. »Einatmen, Leah!«
    Sie warf den Kopf zurück. »Ich ka…«
    David beugte sich über sie, drückte seinen Mund auf ihren, ließ in kurzen Abständen und sanft seinen Atem in ihren Mund strömen, bis ihre Kehle sich entspannte und Luft in ihre Lungen drang. Sie klammerte sich an ihn, während er für sie atmete, ihr Luft einblies und dann den Atem aus ihr heraussog, bis er merkte, dass ihr Körper sich allmählich entkrampfte und das Röcheln verschwand.
    Schließlich hob er den Kopf und sah auf sie hinunter. »Geht es wieder?«
    Sie schaute ihm in die Augen, bohrte die Finger in das blaue Tuch seines Umhangs und flüsterte: »Ja.«
    »Was ist vorgefallen?«
    »Mein Garten … Tamar … mein Ehemann …« Stockend berichtete sie von der Verwüstung, sprach von Hass und Ehebruch und Verrat.
    Als sie geendet hatte, wusste David nicht, was er sagen sollte. Was sollte er ihr raten, wie sie trösten? Und wie hätte er jetzt, angesichts ihres Elends, von seiner eigenen Enttäuschung bei der Bruderschaft erzählen können? Als sie erneut in seinen Armen zu weinen begann, jetzt ganz ruhig, und er ihren zitternden Körper spürte, fielen Davids Pläne, in eine andere Stadt zu gehen, in sich zusammen. Er wusste, dass er Ugarit, dass er Leah niemals verlassen würde.
    Mit vom Weinen geschwollenen Augen löste sie sich schließlich von ihm. »Wie sollen wir uns bloß Caleb und Tamar gegenüber verhalten?«
    »Sag vor allem noch nichts zu Elias oder deiner Großmutter. Ich muss erst einmal nachdenken. Der Ruf deiner Familie ist bereits zu beschädigt, um einem weiteren Tiefschlag standzuhalten. Ich achte deinen Vater, ich möchte ihm nicht weh tun. Möglich, dass ich mir Caleb vorknöpfe.«
    Aber Leah wusste, dass der eigentliche Übeltäter nicht Caleb war. Ihr Ehemann war ohne Liebe, ohne Leidenschaft oder Wärme, wahrscheinlich auch ohne Sehnsüchte. Ihm machte sie den geringeren Vorwurf; offenbar gab es Menschen, die von Natur aus kühl waren. Nein, was vorgefallen war, ging eindeutig auf Tamar zurück. Sie hatte Caleb benutzt, um ihr, Leah, eins auszuwischen, sie zu verletzen. Und sie würde es wieder tun.

    »David«, sagte Elias, »würdest du bitte deinen Sklaven wegschicken? Was ich dir zeigen möchte, ist nicht für seine Augen bestimmt.«
    Nobu wartete gar nicht erst den Befehl seines Meisters ab. Er streckte seinen Schildkrötenkopf nach vorn und verzog sich mit der Bemerkung: »Ich muss mich um deine Garderobe kümmern.«
    Der persönliche Diener eines Schriftgelehrten zu sein entbehrte nicht der Widersprüche. Einerseits wurde er in Familienangelegenheiten eingeweiht, die gewöhnlichen Haushaltssklaven vorenthalten wurden. Andererseits musste er, wenn der Schriftgelehrte von der Familie ins engste Vertrauen gezogen wurde, zwangsläufig das Feld räumen.
    Derlei Probleme machten Nobu nicht zu schaffen, als er den Weinschuppen verließ und den Pfad zurück zum Haus einschlug. Seit sein Meister ihm gestern eröffnet hatte, dass er nun doch nicht gedenke, der Bruderschaft beizutreten, wenngleich er noch keine Ahnung habe, was nach Ablauf der Lehrzeit aus ihnen werden solle, hatten ihm seine Götterstimmen zwar mächtig zugesetzt, aber zum Glück lebten er und David ja bei einem Winzer, wo es ausreichend Mittel und Wege gab, diese Götterstimmen zum Schweigen zu bringen.
    Indessen

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