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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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spielte Leah mit dem Gedanken, einen Myrrhenstrauch anzupflanzen. Entsprechenden Samen oder Setzlinge wollte sie in der Stadt besorgen.
    Sie waren auf Molochs Traum gestoßen. Rakel hatte die Pflanze sofort erkannt, obwohl der Händler sie als
Cannabis
bezeichnete. Wenn es also diese Heilpflanze in Ugarit gab, hatte Leah überlegt, sei nicht auszuschließen, dass Zira die entsprechende Medizin bereits ihrem Sohn verabreicht habe. Worauf Rakel erwidert hatte: »Nur mein Ehemann wusste um ihre heilenden Kräfte gegen Fallsucht. Er fand es zufällig heraus, hat es aber niemandem erzählt.« Um sicherzugehen, hatte Leah den Pflanzenverkäufer nach den heilenden Eigenschaften von Cannabis gefragt, worauf der zwar eine lange Liste aufzählte, derzufolge die Pflanze unter anderem Linderung bei Schmerz verursachenden Dämonen versprach, bei Verstopfung, Gliedersteife und Schlaflosigkeit, Fallsucht dagegen mit keinem Wort Erwähnung fand. Deshalb glaubte Leah, Zira tatsächlich ein Mittel anbieten zu können, von dessen heilsamer Wirkung sie nichts wusste.
    Zusammen mit Rakel hatte sie die junge Pflanze gesetzt und seither Molochs Traum wie auch alle anderen Heilkräuter in ihrem privaten Garten gehegt und gepflegt.
    Sie schickte sich an, das alte Holztor zu öffnen, nicht ohne dabei mit einer Hand ein Medaillon zum umfassen, das sie im Tempel der Asherah erworben hatte – einen flachen, runden hellrosa Stein, in den so etwas wie ein Baum eingraviert war, das heilige Symbol Asheras –, und von dem sie hoffte, seine Kraft würde sich auf ihre Pflanzen übertragen.
    Als sie durch das Tor trat, musste sie einen Augenblick innehalten, um den Anblick zu begreifen, der sich ihr bot. Der Garten, gestern noch voller junger Pflanzen, neuem Efeu, blühenden Blumen und zartem Gras, schien trotz seiner geschützten Lage innerhalb dieser Mauern vom Wind gebeutelt worden zu sein, der sich irgendwie Zugang verschafft haben musste: Alles, was hier gegrünt hatte, war herausgerissen und lag verstreut herum. Molochs Traum seiner Wurzeln beraubt und zerrupft. Und erst ihr Setzling! Die »Tochter«, die im Schatten der toten »Mutter« um ihr Leben kämpfte, lag entwurzelt in der hinteren Ecke. Nein, Wind hatte hier nicht gewütet. Diese Verwüstung war von Menschenhand angerichtet worden. Aber wer hatte das getan?
    Und dann entdeckte sie zwischen Zweigen und Blättern auf dem Boden eine elfenbeinfarbene Blüte, die keine echte Blume war, sondern Tamars Lieblingskamm. Er musste sich aus ihrem Haar gelöst haben, ohne dass sie es bemerkt hatte.
    Die Erkenntnis traf Leah wie ein Schlag. Ja, Tamar hasste sie und warf ihr verständlicherweise vor, ihr das Herz gebrochen zu haben, weil Baruch aus Angst vor Jothams Drangsalierungen gegen seine Familie in eine andere Stadt gezogen war und dort geheiratet hatte. Aber auch wenn Leah einsah, dass sie Unheil über die Familie gebracht hatte – musste die Schwester derart bösartig handeln?
    Sie machte sich auf die Suche nach Tamar, erst unten, dann im oberen Stock. Ihr anfänglicher Zorn wandelte sich in Mitleid, als ihr bewusst wurde, wie sehr sie die Schwester verletzt hatte. Jetzt, da sie in David verliebt war, verstand sie, was Tamar für Baruch empfunden hatte.
    Durch meinen Ungehorsam hat Tamar Baruch verloren. Irgendwie muss ich das wiedergutmachen …
    Sie klopfte an die Schlafkammertür der Schwester, trat auf deren Ruf hin ein. Und dann blieb sie wie angewurzelt stehen.
    Da lagen sie.
    Tamar und Caleb …
    Die Kammer verschwamm vor ihren Augen. Die Wände schienen über ihr zusammenzustürzen. Wie durch einen Nebel hörte sie Tamars hämisches Lachen, sah die Kälte in Calebs Augen. Beide waren aneinandergepresst, die nackten, schweißglänzenden Gliedmaßen ineinander verschränkt, kaum bedeckt unter einem Laken, ohne den geringsten Anschein von Betroffenheit oder Beschämung oder Schreck.
    Leah schlug eine Hand vor den Mund, wandte sich ab und rannte davon.
     
    Auf dem Rückweg von Ugarit war David dermaßen in seine Verbitterung und Enttäuschung verstrickt, dass er zunächst gar nicht wahrnahm, wie Leah durch das Eingangstor stürmte und die Straße entlanghastete.
    Er schmiedete bereits Pläne für die Zeit, nachdem er seine Lehre in Elias’ Haus beendet hätte. Er wollte in Erfahrung bringen, in welchen Städten der Bedarf an Schriftgelehrten am größten war, aber auch wo besonders viele wohlhabende Familien lebten. In eine Stadt mit vornehmlich Schafzüchtern und Bauern würde er

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