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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ahnte er, dass nur Caleb in Frage kommen konnte, der neue Schwiegersohn. Als derjenige, der nach Elias Oberhaupt der Familie werden und den Weinhandel übernehmen würde, musste er Bescheid wissen.
    »Ich war vor kurzem mit Caleb hier unten«, erwiderte Elias tonlos. »Ich schwor ihn auf Geheimhaltung ein. Ich sagte ihm, eines Tages würde dies alles seinen Söhnen und Enkelsöhnen gehören.«
    »Wie konnte er das alles wegschaffen? Solche Vermögenswerte müssen doch ein ungeheures Gewicht haben?«
    Da Elias nicht weiterzusprechen vermochte, zog David seine eigenen Schlüsse. Caleb musste ein paar Sklaven bestochen haben, die nur allzu gern ein paar goldene Ringe dafür in Empfang genommen hatten und dann unauffindbar verschwunden waren. Und wo immer Caleb den Schatz hingeschafft hatte, würden Elias und seine Familie ihn nie wiedersehen.
    Ein kalter Schauer überrieselte ihn, als ihm das volle Ausmaß dieser Schurkerei bewusst wurde: Der letzte Rest von Elias’ Vermögen war weg. Die Talfahrt würde sich fortsetzen.
     
    Die Frauen saßen im Sonnenzimmer über ihrer Näharbeit. »Ich war heute im Ägyptischen Viertel …«, merkte Hannah an.
    Avigail schnaufte verächtlich durch.
    Hannah nahm es gelassen hin. Im Gegensatz zu ihrer Schwiegermutter fand sie die Waren, die die Ägypter auf dem Markt anboten, ungemein verlockend und nützlich, und die Verkäufer, mit denen sie sich unterhielt, waren ihr ausgesprochen sympathisch. »Und dort hat man herumerzählt, dass Königin Hatschepsut krank sein soll. Ich frage mich, ob das stimmt, und wenn ja, was sein wird, wenn ihr Stiefsohn den Pharaonenthron besteigt.«
    »Es ist hinlänglich bekannt, dass Prinzregent Thutmosis darauf aus ist, die Welt zu erobern.« Erschöpft aufseufzend, machte Avigail einen Stich auf und korrigierte ihn. Allein schon beim Gedanken an Ägypter konnte sie ihre Nadel nicht mehr richtig gebrauchen. Zwei Generationen war es her, seit Thutmosis I. in Kanaa einmarschiert war, Städte wie Jericho eingenommen, befestigte Garnisonen unter militärischer Führung erbaut, eigene Verwaltungen eingerichtet und die dort ansässigen Könige zu Vasallen des Pharaos degradiert hatte. In der Folgezeit jedoch hatte Ägypten die Kontrolle über die Städte im Norden, darunter auch Ugarit, verloren und musste sich mit jährlichen Tributzahlungen zufriedengeben.
    »Wird es zum Krieg kommen, wenn Hatschepsut stirbt, Großmutter?«
    Aber ein Krieg war doch längst im Gange, dachte Avigail. Die Anzeichen dafür waren seit Jahren zu beobachten – die Zeichen des Wandels. Mehr und mehr bürgerten sich ägyptische Mode und Gebräuche, importierte Waren, ja sogar eine Gottheit in der kanaanäischen Gesellschaft ein. Dies sei auf die kluge Auslandspolitik von Hatschepsut zurückzuführen, hieß es allgemein. Sie setze auf friedliche Handelsbeziehungen, um Ägypten zur reichsten Nation auf Erden zu machen. Statt Streitwagen zu fertigen und Waffen zu schmieden, ließ Königin Hatschepsut Handelsschiffe bauen und Exportartikel herstellen, um sie in alle Länder transportieren zu lassen. Damit befriedigte und bestärkte sie eine noch nie dagewesene Nachfrage nach ägyptischen Erzeugnissen, bis man schließlich im Ausland glaubte, auf ägyptisches Glas, Parfüm, Papier und Türkise nicht mehr verzichten zu können.
    Sogar die Priesterinnen Asherahs waren nicht dagegen immun. Da hatten die Frauen im Hause des Elias seit Generationen die elegante Kleidung für die Dienerinnen im Tempel der Asherah beigesteuert und bekamen jetzt zu hören, dass ihnen Gewänder aus Leinen angenehmer waren – und Leinen war ausschließlich aus Ägypten zu beziehen!
    Das ist die Art und Weise, wie man uns erobern wird, befürchtete Avigail. Die Waffen unserer Feinde sind billiger Tand und schöner Schein. Invasion durch Verführung. Ein Volk ergibt sich, ohne sich dessen bewusst zu sein!
    Leah, die an ihrem Webstuhl saß, ließ geschickt das Schiffchen auf und ab durch die Kettfäden gleiten. Keine der Anwesenden bemerkte etwas von ihrem Gefühlschaos. Tamar und Caleb im Bett … Sie hatte auf Davids Rat hin keinem etwas davon erzählt. Vergangene Nacht hatte sie in der dunklen Bettkammer auf Caleb gewartet, aber er war nicht aufgetaucht. Und wo hatte David heute Morgen gesteckt? Sie hatte ihn sprechen, von ihm hören wollen, wie sie sich seiner Meinung nach verhalten sollten, aber er war nirgendwo im Haus zu finden gewesen.
    Avigail wäre es lieber gewesen, Hannah wäre nicht auf Ägypten zu

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