Im Auge des Feuers
feuchtfröhlichen Wochenende in seiner Jugend.
Die seegrünen Wände in der Eingangshalle verstärkten den Eindruck, dass der Boden unter seinen Füßen schwankte. Eira stolperte über eine Treppenstufe. Kurz darauf hörte er Schritte hinter sich.
»Du musst die Füße beim Gehen hochheben, Eira. Und einen Zahn zulegen. Wir sind gut eine Viertelstunde zu spät dran.« Es war Henriksen. »Ich hab im Stau auf der Brücke festgesteckt.«
Eira richtete den Blick auf die Stufen, bis oben waren es noch zehn.
»Wie geht’s?« Henriksen war neben ihm.
»Gut.«
»Ich hab gestern deinen Sohn und seine Band im Lokalfernsehen gesehen. Soweit ich verstanden habe, bringen sie eine CD raus?«
Er nickte nur.
»Was zum Teufel gibst du ihm denn zu essen? Es hat sich angehört, als würden die alle gemeinsam gefoltert. Bei einer Wurzelbehandlung ohne Betäubung hätten sie nicht lauter brüllen können.«
»Danke, Henriksen. So was hört man gern.«
»Also ehrlich, hast du nicht mal gesagt, er hätte in der Schule Musik als Schwerpunktfach?«
Oben angekommen, blieb Eira stehen. Das gute Gefühl hatte sich vollständig verflüchtigt. Er musste tief Luft holen. »Hier, Henriksen, das ist schon mal für dich. Eine Liste aller Obdachlosen mit Alkohol- und Drogenproblemen in dieser windgepeitschten Stadt. Das Milieu ist klein. Mindestens einer von diesen Typen dürfte Jens ja wohl näher kennen und ein bisschen über ihn plaudern. Das musst nun leider du übernehmen. Spür sie auf und schlepp sie zur Vernehmung hierher.« Die Unterlagen befanden sich in einem Pappordner. Eira hantierte ungeschickt damit und stieß ihn voller Wucht gegen Henriksens Zwerchfell. Der jaulte auf.
»Oh, entschuldige. Wie dumm von mir … Ähm, was wollte ich noch sagen? Ach ja, deine Assistenten kannst du dir natürlich selbst aussuchen. Aber lass bitte Berger und Benjaminsen außen vor. Die beiden haben ohnehin schon alle Hände voll zu tun.« Während er sprach, gab er den Code ein, ging durch die Tür und ließ sie Henriksen vor der Nase zufallen.
Am Tag zuvor hatte er zwischendurch den Namen »Victoria Hammer« im polizeilichen Archiv eingetippt. Ihre Personeninformationen waren schnell auf dem Bildschirm erschienen. Sie war am 3. März 1981 in Oslo geboren, ihre Heimatadresse lautete: Kvitseid in Nordwestnorwegen. Die Steuerbescheinigung zeigte, dass sie Studentin war – so weit hatte sie korrekte Angaben gemacht. Sie war außerdem kinderlos und als Single gemeldet.
Es ärgerte Eira maßlos, dass diese junge Frau so penetrant in seinem Kopf herumspukte. Ein einziger Mouseklick, und die Seite mit Victorias Daten war verschwunden. Wenn das nur im echten Leben ebenso einfach wäre.
An konzentrierte Arbeit war im Moment nicht zu denken. Erraffte ein paar Unterlagen zusammen, verließ sein Büro und klopfte an die Tür einer Kollegin. »Könntest du bitte alle Archive nach diesem Namen durchsuchen? Schau doch mal nach, ob es irgendeine Anklage gegen sie gibt, was auch immer es sein mag.« Er legte einen Zettel auf den Schreibtisch.
Vielleicht würde ihn diese Aktion zu neuen Erkenntnissen führen. Im besten Fall sogar zu innerer Ruhe.
Kapitel 65
Eira kam als Letzter in den Besprechungsraum. Er übersah geflissentlich alle forschenden Blicke. Es war klar. Man musste ihm einfach anmerken, dass er in der vergangenen Nacht ein anderer Mann geworden war.
Er räusperte sich etwas zu laut und kam direkt zur Sache.
Als Erstes referierte er über sein Gespräch mit Gunhild Wikan. Eira berichtete knapp und sachlich, wie sie kategorisch zurückgewiesen hatte, ein Verhältnis mit Andreas Fjeld gehabt zu haben.
»Natürlich streitet sie das ab«, schnaubte Henriksen. »Aber umso unbegreiflicher ist es dann, weshalb Andreas Fjeld eine finanzielle Verpflichtung dieser Frau gegenüber auf sich genommen haben sollte.« Henriksen ließ den Blick triumphierend schweifen. Er meinte wohl, er habe gerade einen Gedanken formuliert, der den Fall augenblicklich löste.
Eira klopfte mit dem Stift gegen die Tischkante. »Aus Gunhild Wikan wird man nicht klug. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Sie macht eine Reihe von Andeutungen, aber lässt uns dann wieder im Dunkeln tappen. Und weigert sich, ihre eigenen Behauptungen zu bestätigen, wenn man sie noch mal gezielt darauf anspricht.« Er dachte kurz nach. »Man könnte fast meinen, sie wäre bestens im Bilde darüber, was sich im Mai 1969 in dem brennenden Gebäude abgespielt hat.«
Für den Bruchteil einer
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