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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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weggehen.« Gunhild klammerte sich an Karls Revers.
    Er schob sie unsanft von sich. »Du wirst mich nicht verraten. Als Gegenleistung werde ich versuchen zu vergessen, dass du Frank umbringen wolltest. Ebenso alle anderen fiesen Dinge, die auf dein Konto gehen. Und wenn du Frank da nicht herauslässt, wird er erbärmlich verbrennen.« Karl schwieg und betrachtete Gunhild einen Moment. »Oder ist es genau das, was du willst? Soll er wirklich draufgehen, damit er keine Gerüchte über dich in der Stadt verbreiten kann?«
    »Mein Gott, Karl …« Ihr Zorn war verraucht. Lautes Schluchzen erstickte ihre Worte. »Begreifst du das nicht? Das ist doch wahnsinnig praktisch. Sie werden glauben, dass du es bist … Dann wird keiner nach dir suchen, und wir fangen ein neues Leben an. Lass mich mitkommen«, flehte sie. »Wir haben bestimmt nie mehr so eine Gelegenheit.«
    Sverre registrierte einmal mehr, wie schnell seine Mutter von einer Rolle in eine völlig andere wechseln konnte. Diesmal hatte sie Aggression gegen mitleiderregende Heulerei ausgetauscht. Sverre war an so was gewöhnt, denn er hatte ihre Art von klein auf oft genug am eigenen Leib zu spüren bekommen. Er wusste, dass Gunhilds Stimmung innerhalb von Sekunden umschlagen konnte.
    Karl Fjeld machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in seinem Büro. Die Tür fiel laut ins Schloss.
    Sverres Körper gehorchte ihm nur widerstrebend. Er bewegte sich wie in Zeitlupe. Es war, als wäre er in einem abscheulichen Traum gefangen. Natürlich hatte er, wie alle anderen, die Gerüchte über Gunhild und Karl gehört. All das Getuschel hatte ihn verletzt. Er war wütend geworden und hatte sich immer mehr in sich zurückgezogen. Bis jetzt war es ihm gelungen, die Gerüchte zu verdrängen. Aber nach dieser Szene war Sverre klar, weshalb seine Mutter in der letzten Zeit besonders hochfahrend gewesen war. Er verstand, warum sie sich häufig mitten in der Nacht weggeschlichen hatte.
    Sverre presste beide Hände aufs Gesicht. Für einen Augenblick entfernten sich alle Geräusche. Der Rauch war viel dichter geworden und seine Augen begannen zu tränen.
    Frank war offenbar wieder zu sich gekommen und hatte in seinem Gefängnis einen schweren Gegenstand gefunden, mit dem er gegen die Tür hämmerte. Allmählich gab das morsche Holz nach.
    Sverre blinzelte. Ihm stockte der Atem.
    Gunhild blieb einen Augenblick unentschlossen stehen, bevor sie die Treppe hinunterlief.
    Sverre trat zwei Schritte aus dem Toilettenraum hinaus, um das Geschehen besser verfolgen zu können.
    Frank hatte es mittlerweile geschafft, ein großes Loch in die Kellertür zu schlagen. Er drückte die übrig gebliebenen zersplitterten Planken nach außen und war frei. Erschöpft taumelte er durch den Türrahmen.
    Gunhild empfing Frank mit einem schweren Hieb auf den Kopf.
    Zuvor hatte sie einen Nothammer von der Wand gerissen, sich seitlich neben der Kellertür postiert und dann mit erstaunlicher Ruhe darauf gewartet, dass Frank heraustreten würde.
    Sie hatte ihn mit solcher Wucht getroffen, dass er sogleich hintenüberfiel, zurück in den Kellerraum.
    Sverre konnte Franks Stöhnen deutlich hören. Der Mann war also noch am Leben.
    Der Rauch hatte sich inzwischen zu dichten Schwaden zusammengeballt. Wahrscheinlich standen bereits einige Teile des Hauses in Flammen. Das Atmen fiel schwer.
    Sverres Herz hämmerte wie verrückt. Er hatte panische Angst. Jetzt musste er dringend nachsehen, ob sein Vater immer noch in seinem Büro eingeschlossen war. Aber Sverre fand keine Gelegenheit dazu. Irgendwo ging eine Tür und der Junge schlüpfte blitzschnell wieder in den Toilettenraum.
    Draußen auf dem Treppenabsatz waren Schritte zu hören. Durch den Türspalt sah Sverre, wie jemand in einer blauen Nylonjacke die Treppe hinunter verschwand. Er erkannte das Kleidungsstück von hinten: die Jacke seines Vaters!
    Sverre atmete auf. Sein Vater war also zum Glück noch rechtzeitig hinausgekommen.
    Unten quietschten die Scharniere der beschädigten Kellertür. Irgendwer näherte sich offenbar dem verletzten und schwer röchelnden Frank.
    Sverre fühlte sich wie versteinert. Er wagte nicht, die Toilettentür wieder zu öffnen. Aber schließlich zwang ihn der dichte Rauch, den engen Raum zu verlassen. Er rang mühsam nach Luft.
    An den Wänden schlugen Flammen hoch. Sie griffen unglaublich schnell um sich. Sverre nahm allen Mut zusammen. Mit einer Hand am Geländer tastete er sich Stufe für Stufe hinab. Der andere Arm diente als

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