Im Auge des Orkans
Einsiedler zu finden. Sie hängten ihn an der großen Ulme beim
heutigen Herrenhaus auf. (Appleby berichtete später seinem Vetter in Macon alle
Einzelheiten, der ihm dazu gratulierte, daß nach einem solch monströsen
Verbrechen die Gerechtigkeit wiederhergestellt sei.)
Innerhalb von vierundzwanzig Stunden
war Louise auf dem Dampfer, unterwegs zu den wohlhabenden Verwandten in San
Francisco. (»Sie ist gefaßt«, schrieb einer von ihnen an Appleby, »und scheint
um den Einsiedler nicht zu trauern.«) Appleby schickte Geld, aber er besuchte
seine Tochter nicht.
Am 23. April 1870 wurde das Kind
geboren, es war ein Junge und wurde auf den Namen James Alexander getauft.
Vater Appleby wollte weder mit seiner Tochter noch mit dem Kind etwas zu tun
haben. (»Natürlich verstehen wir Deine Gefühle«, schrieben die Verwandten.
»Louise und James können bei uns bleiben, solange sie wollen.«)
Applebys Birnenimperium begann zu
gedeihen. Mit den Erträgen aus dem Getreideanbau hielt er sich über Wasser, bis
die Bäume zu tragen begannen. Später kaufte er weiteres Land. Die drei älteren
Söhne heirateten, blieben aber in der Gegend. William fand eine zweite Frau,
die Tochter eines wohlhabenden Maklers aus Stockton, und begann, das Herrenhaus
zu bauen. Ehe es fertig war, starb seine junge Frau 1874 an Influenza und
hinterließ Appleby ein beträchtliches Vermögen.
Im August 1875 kam die Nachricht aus
San Francisco, daß Louise mit dem Baby verschwunden sei. Offenbar hatte sie
sich schon länger mit einem schwedischen Matrosen getroffen, der bei der
Northern Pacific Line arbeitete. Eines Abends hatte sie ihre und die Sachen
ihres Sohnes gepackt und war mit ihm fortgegangen. (»Wir wußten nichts von
dieser Verbindung«, schrieb der Vetter aus San Francisco, sich verteidigend.
»Unsere Informationen stammen von den Dienstboten. Aber Louise hat eine
Mitteilung hinterlassen, daß man sie nicht suchen solle. Wie sollen wir uns
verhalten?«)
Appleby wollte nicht, daß irgend etwas
unternommen würde. Er hatte sich von seiner Tochter bereits früher losgesagt
und war froh, daß er auf diese Weise nichts mit seinem illegitimen Enkel zu tun
bekam. Er setzte eine Klausel in sein Testament, die Louise und alle ihre
Nachfahren enterbte, und bat seine Söhne, das gleiche zu tun. (»Du hast richtig
gehandelt«, schrieben die Verwandten, »es ist besser, wenn wir Louise als tot
und begraben betrachten. Du mußt über das Ende dieser unglücklichen Affäre
erleichtert sein.«)
Ob Appleby tatsächlich erleichtert war,
blieb offen. Aber was er unternahm, hatte Hand und Fuß. Er errichtete eines der
reichsten landwirtschaftlichen Imperien im Delta. Doch an dem fertigen
Herrenhaus konnte er sich nicht mehr lange erfreuen. Im September 1886, kurz
nach seiner Fertigstellung, wurde seine Leiche im Hochwasser des Hermit’s
Slough gefunden. Es gab viel Gerede darüber, wie er ertrunken war, und mehr als
einer der Delta-Bewohner stellte die Vermutung an, daß dies »göttliche
Vergeltung« war oder der »Fluch des Einsiedlers«.
Nach dem Tod seines Vaters lebte
Matthew weiter im Herrenhaus und heiratete ein paar Jahre später. Die
Obstgärten trugen viele Früchte, aber die Ehe nicht, er hatte nur einen Sohn,
Stuart, den er in späten Jahren mit seiner viel jüngeren Frau 1920 zeugte. Den
anderen Appleby-Söhnen ging es gut, bis der Birnenmarkt in den zwanziger Jahren
zusammenbrach. Doch es gab immer wieder eine Familientragödie: Jeds Söhne kamen
bei einem tödlichen Torffeuer um, die sich häufig im Flachland des Deltas selbst
entzünden. Calebs Söhne zogen von Kalifornien weg, und man hörte nie wieder
etwas von ihnen. Adams einzige Tochter starb im Kindbett, und seine Enkel
wurden im Ersten Weltkrieg getötet. Jedesmal wenn es einen Todesfall im
Appleby-Klan gab, berichteten die Zeitungen in Sacramento oder Stockton darüber
und gruben die alte Familiengeschichte wieder aus. Immer wieder war von »einem
seltsamen Fluch« die Rede, der die Familie getroffen habe. Wenn William Appleby
gedacht hatte, daß die Geschichte mit dem Einsiedler mit Louises Verschwinden
zu Ende sei, so hatte er sich getäuscht.
Schließlich war nur noch Matthews Sohn
Stuart übrig, der im Herrenhaus wohnte. 1940 heiratete er eine Lehrerin aus
Walnut Grove. Sie und ihre fünfundzwanzigjährige Tochter kamen bei der entsetzlichen
Flutkatastrophe von 1972 durch einen Autounfall ums Leben. Und Ende 1985,
allein und unheilbar krank, beendete Stuart sein Leben mit
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