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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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schaffen würde, dass das Ding tatsächlich in die Tiefe stürzen würde, ganz besonders in diesem Moment sah er Bobby vor sich, Bobby, der rückwärts in den Abgrund fiel, Bobbys panisch aufgerissene Augen, Bobby, wie er die Arme nach seinem Bruder ausstreckte, nach seiner einzigen Hoffnung.
    Dann siegte die Schwerkraft. Einzelne Hunderter rieselten aus dem offenen Reißverschluss wie grünes Konfetti, und die Tasche legte eine langsame Halbdrehung hin, bevor sie drei Stockwerke tiefer das Glas der Kühltheke durchschlug und mit einem lauten Klatschen in einer Schüssel Gourmet-Kartoffelsalat landete. Jack starrte hinab. Unglaublich. Vierhundert Riesen in einem See aus Mayonnaise. Jack versuchte sich vorzustellen, wie er über das Geländer setzte und die Distanz im Sprung nahm. Sicherheitshalber warf er einen prüfenden Blick hinunter. Jackie Chan vielleicht, aber ein dreiundvierzigjähriger Pole? Vergiss es.
    Also gut, dann eben die Treppe. Schließlich hatten sie die Mall gestern gründlich studiert – die nächstliegende Treppe endete im Erdgeschoss, doch die auf der anderen Seite führte ganz hinunter. Während er lossprintete, schaute er sich kurz um. Marshall war auf dem Hinterteil gelandet, stützte sich mit der einen Hand ab und versuchte mit der anderen zu zielen. Der stämmige Schwarze musste ihn von den Beinen gerissen haben. Ohne stehen zu bleiben, hob Jack den Colt und feuerte ein paarmal, lausige Schüsse aus dem Handgelenk, die ein paar Schaufenster zerspringen ließen und eine weitere Runde Geschrei auslösten. Der Blick des Schwarzen flog von ihm zu Marshall, dann drehte sich der Mann um und floh. Kurz darauf war Jack bei seinem Partner, bückte sich und zerrte ihn hoch. Marshall versuchte noch, den Schwarzen ins Visier zu nehmen, aber Jack drängte ihn in Richtung Treppe, schrie ihm ins Ohr. »Los!« Jetzt zählte nur das Geld, sonst nichts.
    Zu zweit stießen sie die Tür zum Treppenhaus auf und ratterten hinunter. Wie viel Zeit sie hatten, bis die Cops hier waren, konnten sie nicht wissen, aber da sie sich in Lincoln Park befanden, einem gepflegten, weißen, unter Ärzten und Anwälten beliebten Viertel, würde es nicht allzu lang dauern. Jacks Finger umschlossen den Griff der Pistole noch fester.
    Im Treppenhaus roch es nach frischer Farbe, nackte Glühbirnen beleuchteten die ordentlich gekehrten Stufen. Eine Hand auf dem Geländer, schleuderte Jack sich um die Kurven, sprang mehr, als dass er rannte. Unten angekommen stoppte er nicht, sondern wirbelte nur herum, riss den Fuß hoch und trat den Notausgang auf. Eine Alarmanlage heulte los, als sie in den Delikatessenladen einfielen. Hinter der Sushitheke duckte sich ein Mexikaner mit Schürze, links gab es Wein, rechts importierten Käse. Jack bahnte sich seinen Weg mittendurch. Eine Pyramide Salsa-Dip stürzte ein, zahllose kleine Töpfchen krachten auf den Boden und zerbrachen. In der Mitte eines breiten Achtecks aus Theken mit vorgegarten Beilagen und Vorspeisen stand ein Kellner – die Sporttasche hatte unmittelbar vor ihm das Glas durchbrochen und Kartoffeln, Couscous und gedünsteten Brokkoli in alle Richtungen verspritzt. Ein Dutzend Hunderter lag auf den Speisen wie eine neuartige Garnierung. Der Kellner starrte auf die Tasche, eine Hand halb ausgestreckt, als würde er gerade seinen ganzen Mut zusammennehmen, um sie zu berühren. Jack peitschte ihm die Pistole ins Genick und schob den zusammensackenden Körper beiseite, um sein Eigentum in Besitz zu nehmen. »Gehen wir.«
    »Wo lang?«
    »Hinten rum.«
    Sie rannten los. Ein Tunnel für die Angestellten führte hinaus an die Rückseite der Mall, in einen dreckigen Hof voller Zigarettenstummel und Glasscherben, der erfüllt war vom Dröhnen der Generatoren. Jack und Marshall hechteten hinaus in den Regen, und sofort hörten sie die Sirenen, schon ganz in der Nähe. Ohne innezuhalten, hängte Jack sich die Tasche über die Schulter und sprintete auf eine niedrige Mauer zu, stützte sich mit der freien Hand ab und setzte hinüber. Die Bewegung riss den Schnitt an seinem Unterarm auf, aber der Schmerz war weit, weit weg.
    In der Gasse auf der anderen Seite der Mauer stand ein Cop, der gerade von einer Reihe dreistöckiger Apartments zur Mall geeilt sein musste. Einen Moment lang blickten sie sich einfach nur an, bevor der Cop nach seiner Pistole griff. »Keine Bewegung!«
    Aber Jack war schon einmal im Knast gewesen, und er hatte ganz sicher nicht vor, dorthin zurückzukehren. Die linke

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