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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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Hand noch immer an der Mauer, hob er die rechte.
    Im Freien war die Pistole nicht ganz so laut. Der Cop stolperte nach hinten, die Beine gaben unter ihm nach, und er sank in die Knie, mitten in eine Pfütze. Trübes metallgraues Wasser spritzte hoch.
    »Scheiße.« Marshalls Stimme neben ihm. »Jack.«
    Der Cop wiegte den Oberkörper vor und zurück, blickte auf seine blutigen, zitternden Hände. Abermals hob Jack die Pistole. Und diesmal nahm er sich Zeit zum Zielen.

18
     
    Osten war genauso gut wie Westen, es machte keinen großen Unterschied. Hauptsache, sie blieben in Bewegung. Also fuhren sie Minute um Minute, Kilometer um Kilometer, ohne jedes Ziel. Das heißt, ein Ziel hatten sie: sich von allem fernzuhalten, von der ganzen Welt – während sie überlegten, was sie tun sollten, um das wieder geradezubiegen.
    Bei dem Gedanken hätte Tom beinahe gelacht. Geradebiegen? Wie soll das gehen, Einstein?
    Er schüttelte den Kopf. Noch nie hatte er sich so einsam gefühlt, sich so sehr gefürchtet. Die Welt, an die er geglaubt hatte, war implodiert und hatte eine Hölle zurückgelassen, in der nichts als Monster lebten. Alles, was er liebte, stand auf dem Spiel, und sie konnten niemandem mehr trauen. Sie waren ganz auf sich gestellt.
    Anna zitterte auf dem Beifahrersitz, die Arme hatte sie eng vor der Brust verschränkt. Tom beugte sich vor und drehte die Heizung auf, bevor er wieder von AM 720 auf 780 schaltete. Eine Reklame, die um ehrenamtliche Lehrer warb – Vorbilder, gab die Stimme aus dem Off zum Besten, könnten den Drogenmissbrauch unter Minderjährigen dramatisch bla bla bla …
    Immer noch nichts. Lang konnte es nicht mehr dauern, bestimmt nicht. In einer Stadt wie Chicago schaffte es eine durchschnittliche Schießerei nicht in die Nachrichten, aber ein Feuergefecht in einer Mall in Lincoln Park doch garantiert. Wie konnte ihr Plan so vollständig in die Hose gehen? Tom begriff es immer noch nicht – er kapierte einfach nicht, was da abgelaufen war.
    Jetzt meldete sich ein Nachrichtensprecher. Tom und Anna hielten den Atem an, darauf gefasst, jeden Moment ihre Namen zu hören und als flüchtige Verbrecher bezeichnet zu werden, und beteten zugleich, dass von einem berüchtigten Kriminellen die Rede sein würde, von Jack Witkowski, der auf der Flucht von der Polizei erschossen worden war. Stattdessen legte der Sprecher mit Wirtschaftsnachrichten los, erzählte vom prognostizierten Absturz der Immobilienpreise. Seit ein, zwei Jahren redeten die Leute davon, dass in Chicago zu viel gebaut wurde, was in Verbindung mit dem instabilen Hypothekenmarkt auf direktem Weg in den Abgrund führen musste. Früher mal hatten auch Tom und Anna sich richtig Gedanken darüber gemacht.
    Weiter vorne heulten Sirenen auf. Tom klammerte sich ans Lenkrad, während ein lauter roter Schemen an ihnen vorbeiraste, ein Krankenwagen.
    »Denkst du –«, fing Anna an.
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie gerieten in ein kurzes, verrauschtes Funkloch, ehe wieder der Sprecher zu hören war, nun mit veränderter, aufgeregter Stimme. Tom drehte die Lautstärke hoch.
    »… erste Berichte von einer Schießerei in Lincoln Park. Nach unseren Informationen wurden um etwa zehn Uhr morgens Schüsse in der Century Mall gemeldet. Augenzeugen zufolge waren bis zu zehn Personen in den Vorfall verwickelt. Einige trugen Schussverletzungen davon, möglicherweise gab es Tote, darunter wohl mindestens ein Polizist. Wir … äh …« Er verstummte. Tom stellte sich vor, wie der Sprecher hektisch versuchte, den Zettel zu entziffern, der ihm eben zugeschoben worden war. »Soweit wir wissen, hat die Polizei das Einkaufszentrum evakuiert. Eventuell trägt sie in diesen Minuten ein Feuergefecht mit den Angreifern aus. Um wen es sich bei den Beteiligten handelt, ist bislang nicht bekannt, ebenso wenig, ob es zu Festnahmen kam. Zur Zeit verfügen wir lediglich über sehr vorläufige Informationen, aber natürlich werden wir Sie über sämtliche neuen Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Ich wiederhole, der Vorfall ereignete sich in der Century Mall, einem exklusiven Einkaufszentrum in Lincoln Park, einer Gegend, die nicht dafür bekannt ist, dass es …«
    Tom drehte die Lautstärke herunter.
    »Glaubst du, sie wissen, dass wir dort waren?« Anna trommelte mit dem Daumennagel auf ihre Schneidezähne.
    Tom seufzte und zuckte mit den Schultern. Seine Wange juckte und er wollte sich mit der linken Hand kratzen, hielt aber im letzten Moment inne und benutzte

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