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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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einen Moment alles vergessen lassen. Ein Augenblick außerhalb der Zeit, in dem nur seine Sinneseindrücke existierten. Für die kurze Rückfahrt tauchte Tom darin unter.
    Doch nachdem sie sich die Treppe hinaufgeschleppt und die Tür geöffnet hatten, piepte die Alarmanlage, und all seine Ängste brachen wieder über ihn herein. Sie putzten sich die Zähne und kippten ins Bett, zu müde und aufgeregt, um noch zu reden oder Sex zu haben. Anna dämmerte praktisch sofort weg.
    Tom fiel das Einschlafen nicht so leicht. Er lag da, starrte an die Decke und grübelte über einen Ausweg nach. Eine Möglichkeit, gleichzeitig das Geld zu behalten und die Gangster abzuschütteln – und ein Leben zu leben, wie sie es wollten, ein einfaches, glückliches Leben, ohne über jede Anschaffung nachdenken zu müssen. Hundertmal ließ er das Gespräch mit dem Mann im Anzug im Kopf ablaufen, und jedes Mal hätte er Anna beinahe geweckt, um ihr alles zu erzählen – doch jedes Mal entschied er sich dagegen. Nicht dass er sie gerne täuschte; aber bevor er ihr die Wahrheit sagte, wollte er alles in Ordnung bringen. Mit der fehlgeschlagenen Schwangerschaft, dem Einbruch und dem Verlust ihres Jobs hatte sie wirklich genug um die Ohren. Tom würde es ihr erst erzählen, wenn er einen Plan hatte.
    Also hatte er dagelegen, nachgedacht und sich gewünscht, er würde noch rauchen. Sein Hirn schien sich im Kreis zu drehen, ein langsames Karussell um feuchte Lippen und weiße Zähne und eine große schwarze Pistole. Um eine Drohung, ein Versprechen und eine Hoffnung. Um eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Um den morgigen Tag, der viel zu schnell näherrückte.
    Dann, irgendwann nach drei Uhr, hatte er plötzlich klargesehen. Ja, es gab eine Möglichkeit. Sie war so simpel, dass er gar nicht darauf gekommen war: die Wahrheit. Ausgerechnet die Wahrheit, mehr oder weniger zumindest. Tom fiel in einen unruhigen Schlaf, immer wieder unterbrochen von Träumen, in denen er stürzte, stürzte, stürzte …
    Er brauchte fast den ganzen Tag, um Detective Halden zu erreichen. Sie tauschten Nachrichten auf dem Anrufbeantworter aus, bis es kurz vor drei war. Als sie sich endlich erwischten, schlug Halden ein Treffen im Polizeirevier vor – dort konnten sie eine Tasse vom schlechtesten Kaffee der Welt trinken und sich in Ruhe in einem der Verhörzimmer unterhalten.
    »Beim Kaffee bin ich dabei«, antwortete Tom, »aber könnten wir uns vielleicht auf halbem Weg treffen? An der Ecke North und Wells gibt es ein Starbucks. Ich muss wirklich so schnell wie möglich mit Ihnen reden.« Das war immerhin die halbe Wahrheit – er wollte tatsächlich möglichst bald mit dem Detective sprechen, aber nicht auf dem Polizeirevier. Es sollte kein Heimspiel werden für den Cop.
    Im Starbucks herrschte dieselbe standardisierte Gemütlichkeit wie in jedem anderen Starbucks Amerikas. Wahrscheinlich war das einer der Vorteile von Ketten, dachte Tom, aber auch einer ihrer größten Schrecken. Bald würde es überhaupt keinen Sinn mehr haben, noch irgendwohin zu verreisen. Er bestellte einen Kaffee, ohne Sahne, ohne Aroma, ohne Sirup, ohne Karamell, einfach nur einen Kaffee bitte, in einem großen Becher – gab es wirklich Leute, die sich weltläufiger vorkamen, nur weil sie »venti« sagten statt »groß«? Mit seinem Pappbecher setzte er sich an einen Ecktisch direkt am Fenster.
    Ein paar Minuten später kam Halden. Er nickte Tom zu und holte sich ebenfalls einen Kaffee, wobei er das Jackett zurückschlug, um den Sheriffstern auf blitzen zu lassen – das Mädchen an der Kasse lächelte und berechnete ihm nichts.
    »Mr. Reed.«
    »Detective. Danke, dass Sie gekommen sind.«
    Halden setzte sich, legte die Beine übereinander und nahm einen Schluck aus seinem Becher. Statt ihn gleich mit Fragen einzudecken, lehnte er sich zurück und ließ Tom Zeit.
    Immer dran denken: Du bist verängstigt und verwirrt und hast nichts zu verbergen. Keine besonders herausfordernde Rolle, denn zwei der drei Aspekte trafen absolut zu. »Ich komme gleich zur Sache. Jemand bedroht meine Frau und mich.«
    »Wer?«
    »Ich weiß es nicht. Als ich gestern beim Mittagessen saß, kommt auf einmal so ein Typ an, den ich noch nie gesehen habe, setzt sich mir gegenüber und fängt an zu reden. Er kannte meinen Namen und den meiner Frau. Und er wollte wissen, ob ich sie liebe.«
    Halden fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ihre Namen standen in der Zeitung.«
    »Das war noch nicht alles.«

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