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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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kommst auch mit.«
    Toms Gedanken rasten. Sobald sie ihm das Geld ausgehändigt hätten, gab es keinen Grund mehr, sie nicht umzubringen. Sie hatten Jacks Gesicht gesehen, sie hatten ihn reden gehört – und was waren zwei weitere Leichen für einen Mann, der es gewöhnt war, abzudrücken? Tom musste zuerst handeln. Und zwar bald. Das Gewicht des Messers in seiner Tasche beruhigte ihn ein wenig. Seine Finger sehnten sich danach, es sofort zu zücken, aber er zwang sich, ruhig zu bleiben.
    »Los.« Jack winkte noch einmal mit der Waffe, bis Tom langsam in den Vorraum trottete. Durch die Glastüren konnte er die Veranda erkennen, dahinter die Straße. Eine Frau lief mit ihrem Hund vorbei, von ihrer Hand baumelte eine blaue Plastiktüte. Das ganz normale Leben, nur fünf Meter entfernt. Fast hätte Tom geschrien.
    »Beweg dich.«
    Anna sperrte die Tür zur Treppe auf und stieg hoch, Tom folgte ihr, Jack bildete den Abschluss. Wie Immobilienmakler, die einen Interessenten durchs Haus führen. Zwei Badezimmer, reichlich Parkplätze an der Straße, Waschmaschine und Trockner im Keller. Würden Sie gerne noch die hintere Terrasse sehen, oder wollen Sie uns lieber gleich erschießen? Tom hatte keine Zeit, sich in solche Gedanken zu flüchten. Schritt für Schritt knickten die Stufen unter ihm weg. Seine Beine kribbelten, seine Hände juckten. Bald war es so weit. Er hatte noch nie mit einem Messer gekämpft. Wie hielt man so ein Ding eigentlich am besten?
    Als Anna die Tür öffnete, schöpfte Tom plötzlich wieder Hoffnung, denn neben dem üblichen Quietschen der Angeln ertönte ein kurzes, abgehacktes Piepen. Der Alarm.
    Jack hörte es auch. Er schob sie in den Flur und schloss die Tür. »Ausschalten«, kommandierte er mit verkniffenen Lippen.
    Piep.
    Anna trat auf die Bedienkonsole zu. »Nicht!«, rief Tom. Sie zögerte. Jack fuhr herum und richtete die Pistole auf Toms Herz.
    Piep.
    »Er wird uns töten«, sagte Tom. »Wenn wir ihm das Geld gegeben haben, wird er uns töten.«
    »Schalt den Alarm aus, Anna. Jetzt.«
    Piep.
    Niemand bewegte sich. Tom hatte die Hand an der Tasche, aber es ging nicht, nicht solange Jack ihn anstarrte.
    Piep.
    »Verdammt nochmal, Anna.« Jacks Stimme klang eher genervt als wütend. Er trat einen Schritt vor und drückte Tom den Pistolenlauf unters Kinn, bevor er sich wieder Anna zuwandte. »Schalt das Ding aus.«
    Eine bessere Gelegenheit würde er kaum bekommen. Tom steckte die Hand in die Tasche, tastete herum, bis seine Finger das gerippte Plastik des Griffs streiften, und riss den Körper zur Seite. Zuerst aus der Schusslinie gelangen, dachte er, dann mit dem Messer zustechen. Die Welt gerann zu einer zähflüssigen Masse. Tom sah alles zugleich, ohne irgendetwas wirklich wahrzunehmen – das Zucken um Jacks Augen, als er Toms Bewegung spürte, das Schwappen des Bluts in seinen Schläfen, als er den Kopf ruckartig zurückzog, ein weiteres Piepen von der Alarmanlage, Annas Mund, wie er sich zum Schreien öffnete. Plötzlich hakte es, das Messer hatte sich am Rand der Tasche verfangen, wertvolle Zeit ging verloren. Toms Kinn passierte den Lauf der Pistole, im selben Moment drückte Jack den Abzug – ein Kreischen, als würde die Erde auseinanderbrechen, aber kein Schmerz.
    Dann hatte er das Messer in der Hand und sprang nach vorne, er stellte sich nichts Ausgefallenes vor, nur einen ordentlichen, kräftigen Stich von unten nach oben. Aber jetzt riss auch Jack den Körper herum, jetzt stieß sein linker Arm auf ihn herab. Tom versuchte, die Bewegung auszugleichen, er musste es bis zum Bauch schaffen, doch Jack war zu schnell, sein Unterarm krachte auf Toms Hand, ein merkwürdig weicher Aufprall, und plötzlich rann eine Flüssigkeit über Toms Finger, als die Klinge ins Fleisch schnitt. Jack brüllte und stolperte zurück, während er die Hand mit der Pistole in Toms Magen rammte. Tom blieb die Luft weg, er wollte noch einmal zustechen, aber Jack war schon wieder da und rammte ihm die Schulter in die Brust, schleuderte ihn zurück. Toms Füße verhedderten sich, er ging zu Boden, das Messer rutschte ihm aus der Hand und sprang außer Reichweite. Im selben Moment stürzte Jack sich auf ihn, setzte ihm die Knie auf die Brust und drückte ihm die Pistole gegen die Stirn. Auch er keuchte, seine Augen loderten, irgendetwas Feuchtes tropfte auf Toms Gesicht.
    Alles war still. Nichts existierte außer diesen drei Menschen und der ohrenbetäubenden Ruhe nach dem Ausbruch der

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