Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
mehr.«
»Egal, schieb sie zu und lass uns diese versuchen!«, rief Loo aufgeregt. Anscheinend hatte er inzwischen begriffen, was mit der Inschrift gemeint war.
»Also Leute, kennt ihr den hier?«, trompetete ein durchdringender Bass. »Kommt nen Mann in die Bibliothek. – Ich such die Drudel, sagt er. – Die Drudel?, vergewissert sich die Bibliothekarin. Phantasie und Utopie stehen ganz hinten. – Ha-hahahah!«
»Nicht witzig und noch weniger hilfreich«, sagte Timothy kopfschüttelnd und zog die nächste der insgesamt neun kreisförmig angeordneten Gedankenfächer auf. Sie war leer. Genau wie die nächste und die drei darauffolgenden.
Die Freunde hatten schon fast die Hoffnung aufgegeben, als sie in der vorletzten Schublade wabernde Gedankenfäden erblickten, die augenblicklich anfingen, sich zu verspinnen. Loo klammerte sich vor lauter Aufregung an Timothy fest, und Avys Haut glitzerte so sehr, dass selbst die leuchtenden Fulgerflechten in ihrem Schein verblassten. Und dann hörten sie eine raue, männliche Stimme …
»Ich hoffe inständig, dass mein Wissen niemals in falsche Hände geraten wird und dass dies tatsächlich ein sicherer Ort ist«, kam es ihnen so klar entgegen, als stände der Gedankengeber neben ihnen. »Elfrun, ich hoffe, dass du es bist, die meine Erinnerungen vernimmt. Es ist ein letzter hilfloser Versuch, alles zu erklären …«
»Ist das Hartlef?«, japste Loo.
»Pssst! Hör zu!«, zischte Avy.
Loos Frage beantwortete sich im nächsten Moment.
»Mein Name ist Hartlef von den Bellaren. Man nennt mich auch den Wächter der Bücher. Vor wenigen Diaren bin ich von einer langen Reise zurückgekehrt, die mich an die Grenzen meiner Kräfte und finanziellen Mittel gebracht hat.« Ein tiefes Seufzen schloss sich dem Satz an. »Ja, liebe Elfrun, es ist wahr. Ich habe die Gelder für die Bibliothek veruntreut, und wenn der Rat uns nun die Mittel gestrichen hat, meine Liebe, muss ich eingestehen, dass es meine Schuld ist. Ich habe unser Lebenswerk zerstört!«
»Bei Paxus!« Avy schlug sich die Hand vor den Mund. »Wie konnte er nur?«
»Aber es diente einem höheren Zweck, und ich hoffe, du wirst es eines Tages verstehen«, fuhr Hartlefs Stimme traurig fort. »Bevor ich dich vor fast sechshundertdreiundvierzig Annoten verließ, bekam ich dieses Buch in die Hände. Ein Troll verkaufte es mir damals. Die Erstausgabe von Drusa, der gütigen Hexe .« Es klang stolz. »Vielleicht erinnerst du dich … Jede Zeile habe ich mit dem Wissen verschlungen, dass dieses Buch wahrscheinlich eines der ältesten des gesamten Lemurenreiches ist, und auch wenn ich dir versprach, niemals wieder über die Drudel zu sprechen … Elfrun! Das Märchen … Ach was rede ich da. Es ist gar kein Märchen … es ist eine Legende!«, rief Hartlefs Stimme ihnen begeistert aus der Schublade zu, und Timothy merkte, wie sehr Hartlef seine Erkenntnis bewegte.
Doch plötzlich wurden seine Worte leiser, sie nahmen fast einen verschwörerischen Tonfall an, und die Freunde mussten sich vorbeugen, um Hartlefs Erinnerungen weiter folgen zu können.
»Als ich feststellen musste, dass diese erste Ausgabe – anders als die späteren – nicht mit Delvors Tod endete, war mir sofort klar, dass unsere Vorfahren sich die Mühe gemacht hatten, die Geschichte umzuschreiben.« Ein heiseres Lachen erklang. »Sie hatten sogar ein Kind miteinander, Elfrun. Ein Kind! Kannst du dir das vorstellen? Sie hieß Enola, die Einsame. Es ist ihre Seele, die in der Drudel lebt, zumindest ein Teil davon, denn sie war eine Halbe! Von einem Nex und einer Hexe, das ist unglaublich, was? Aber es ist so!«
Avy warf Timothy einen bewundernden Blick zu. »Du hattest tatsächlich Recht!«, flüsterte sie, war im nächsten Moment jedoch wieder ganz bei Hartlefs Erinnerungen.
»Elfrun, ist dir nie aufgefallen, dass in allen weiteren Ausgaben von Drusa, der gütigen Hexe, die abschließenden Worte fehlen? In Libro Veritas! Die Geschichte ist wahr, Elfrun. Sie ist wahr! Stell dir das vor! Ich habe die Originalausgabe von Drusa in unserer Bibliothek gelassen. Sie steht unter Wissenswertes . Elfrun, nur du weißt um seine Bedeutung.«
»Du meine Güte, Loo! Du hattest das Buch schon in den Händen, bis der Rabe kam!«, rief Timothy in die Atempause von Hartlefs Erinnerung hinein.
»Nachdem ich Drusa las«, fuhr Hartlef begeistert fort, »bin ich jedem Hinweis des Buches gefolgt, habe jeden …«
Plötzlich brach der Gedanke ab, eine kurze Pause entstand und
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