Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
weigert er sich sogar, vor seinem Frühstück zu arbeiten.«
»Was bewachen sie?« Timothy sah immer noch deutlich irritiert aus.
»Meistens kündigen sie nur Besuch an. Aber vor allem sorgen sie dafür, dass nicht jeder Lemur, der permatieren kann, einfach den Kopf durch die Wand steckt und in dein Haus schaut, während du schläfst oder badest. Aber dieser hier nimmt seinen Job anscheinend etwas zu ernst.«
Timothy ahnte, dass er noch einige merkwürdige Dinge zu sehen bekommen würde. Sprechende Kröten, verzauberte Pflanzen und unsichtbare Portale … und sie waren gerade erst angekommen.
Vor weniger als einer halben Stunde hatte er die Schlüsselblume hinuntergeschluckt; es musste jetzt also halb eins sein. Blieben noch etwa acht Stunden, vorher würde Elsa ihn nicht wecken. Timothy wollte so viel verstehen, doch die Zeit schien ihm zu knapp, um alle Fragen zu stellen, die ihm durch den Kopf schossen. Folglich nahm er als gegeben hin, was er sah, auch wenn es in diesem Moment nur ein düsterer Tunnel war, dessen Ende er nicht ausmachen konnte.
Loo hingegen war mit seinen Gedanken immer noch bei der Vereinbarung, die sein Freund so freimütig mit dem Apotheker geschlossen hatte.
»Woher, zum Wächter, willst du die ganzen Pflanzen nehmen?« Er sah Timothy übelgelaunt unter seiner Zipfelmütze hindurch an. »Und der Preis war viel zu hoch! Ich hätte ihn bestimmt noch auf einen Lex für uns beide runtergehandelt. Aber Thymian, Schlüsselblumen und Löwenzahn …«
Timothy unterbrach das Gezeter seines Freundes amüsiert. »Loo, das sind ganz normale Pflanzen bei uns, die du in jedem Garten findest. Wenn man nach draußen kann«, setzte er nachdenklich hinzu.
»Wirklich?«, fragte Loo erstaunt. »Wie viele Eichenscheiben kosten … sagen wir … vier Schlüsselblumenkelche? Oder zehn Löwenzahnblätter?« Der kleine Color war abrupt stehen geblieben.
»Tja, ich weiß nicht, ist schwer zu sagen, wir zahlen nicht in Eichenscheiben, sondern mit Münzen oder Scheinen. Löwenzahn wächst quasi überall, zumindest im Sommer. Ich glaube, dafür hat noch keiner Geld bezahlt.«
Timothy schmunzelte bei dem Gedanken, der guten Elsa in Stücke gesägte Eichenäste im Tausch gegen das verhasste Unkraut anzubieten.
»Ich fürchte, mit Eichenscheiben kommst du nicht weit«, schlussfolgerte er, »aber ich werd mal bei Elsa in der Küche schauen, was von den Kräutern da Thymian sein könnte. Und für die Schlüsselblumen finden wir auch eine Lösung.«
Loo nickte zufrieden. »Gut, dann lass uns weitergehen«, sagte er und zog Timothy den finsteren Gang herunter. »Zeit ist schließlich auch Eiche.«
Unbeholfen stolperte der Junge hinter ihm ins Dunkle; doch dann bogen sie um eine Ecke und betraten einen breiteren Tunnel, der durch fahles Licht erhellt wurde.
Mit ausladender Geste deutete Loo um sich. »Das ist die Via Vetus, eine ziemlich schlechte Adresse, wenn du mich fragst, jedoch der einzige Weg zum Portal deines Hauses.«
»Die Via Vetus … wow! Das ist … das ist sehr spannend …« Timothy versuchte, seinen Schreck zu verbergen.
»Sie führt verdammt nah an der Grotte des Grauens vorbei«, fügte Loo leise hinzu. »Es ist kein Wunder, dass der alte Kuriat kaum noch Kunden hat. Er ist, glaube ich, der Letzte, der hier draußen wohnt.«
»Ich denke, ich würde hier auch nicht wohnen wollen. Ganz schön gruselig.« Timothy graute bei dem Anblick des verkommenen Tunnels, der sich vor ihnen auftat. Eine schlechte Adresse war untertrieben. Die tief liegende Lehmdecke bröckelte an allen Ecken und drohte einzustürzen. Gehalten wurde sie ohnehin nur noch von ein paar knorrigen Stämmen, die unheilvoll knarzten.
Timothy beschleunigte seine Schritte. Er wollte die Via Vetus möglichst schnell hinter sich lassen. Auf ihrem Weg wurden sie jedoch immer wieder von schwer überwindbarem Wurzelgeflecht aufgehalten, das den Boden wie ein Netz überzog. Dazwischen steckten Flaschen, zerschlagene Kacheln, Scherben, Ziegel und andere Trümmer.
Plötzlich sprang Loo zur Seite und riss Timothy mit sich. »Vorsicht!«, konnte er gerade noch rufen, dann krachte laut scheppernd einer der Balken zu Boden, gefolgt von jeder Menge Geröll.
»Verdammte Glunze! Sie hätten die Via Vetus schon längst in Ordnung bringen sollen«, meinte er zu Timothy, der versteinert auf den Balken starrte, der direkt vor seinen Füßen aufgeschlagen war. Das Haus zum Balken war nur noch ein loser Schutthaufen, der bald ebenso von Wurzeln
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