Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
menschlichen Jungen gab, der die Fähigkeit hatte, Lemuren zu sehen. Da ausgerechnet Loo den Jungen entdeckt hatte, hatte der Ältestenrat entschieden, dieser Mensch sollte in Ladomirs Haus wohnen. Gegen einen solchen Beschluss war auch der Hausherr machtlos.
Ein Mensch im Lemurenreich , dachte Ladomir und schüttelte verständnislos den Kopf. Der Junge hat auch nichts als Unsinn im Kopf. Allein diese verschrobene Idee mit der Botanischen Akademie, als ob jemals ein Color etwas außer den Wirtschaftslehren oder der Kaufmannsrolle studiert hätte. Irgendwann, da war sich Ladomir sicher, würde sein Sohn ihm in seine Fußstapfen folgen; er musste eben nur ein bisschen nachhelfen.
Was das Menschenkind betraf, entschied Ladomir, es genauer unter die Lupe zu nehmen und Augen und Ohren offen zu halten. Vielleicht kam noch der eine oder andere Interessent auf ihn zu, bereit, ein paar Lex für seine Auskünfte zu zahlen. Sein Freund Linus jedenfalls hatte sich als Informationshändler eine eicherne Nase verdient.
Mit hastigen Schritten überquerte der Händler die Plaza und sperrte, ganz in seine Gedanken versunken, den Gemischtwarenhandel auf. Über dessen Eingang prangte in großen bunten Lettern: »Lados Allerlei«
Mechanisch warf Ladomir seinem ausgemergelten Wächter, einem hellgrauen Frettchen, ein paar Nüsse zu, und entzündete die Laternen im Inneren. Als er seine Kasse unter ein paar Hexenbüchern hervorzog, um sie wie jeden Vormittag zu prüfen, stutzte er unvermittelt. Obenauf lag ein teures Stück Pergament, verschlossen mit violettem Wachs. Es trug kein Siegel.
Panisch zählte Ladomir seine Eichenscheiben nach. Nichts fehlte. Mit einem Satz war er durch die Wand zurück auf die Straße gesprungen und fast über seine ausgetretenen Pantoffeln gestolpert.
»Wer war hier?«, blaffte er seinen Wächter an.
»Wann?«, schnarrte das Frettchen, während es sich nervös um sich selber drehte.
»Letzte Nacht, du nichtsnutziges Nagetier! Wer war letzte Nacht hier?« Ladomir bekam seinen Wächter am Schwanz zu fassen und zog ihn in die Höhe.
Quiekend wand sich das Frettchen hin und her und versuchte, seine langen Zähne in Ladomirs Hand zu schlagen.
Der Händler schüttelte es kräftig. »Wer war hier?«, schrie er.
»Der Bell…bell-lel-lare, um die La-la-laternen nach-zufüll-llen…«, antworte der Wächter schnell, um den Schütteln zu entkommen.
»Wer noch?« Ladomir verfluchte das angebliche Schnäppchen, als das ihm dieser Wächter angepriesen worden war. Der Halb-Dämon hatte keinerlei Ausbildung genossen, war nachlässig und hinterhältig zugleich.
»Ein be-trun-ke-ner Viii-ne, uuu-nd die Lie-ie-ie-fer-ung.«
Ladomir ließ den Wächter los. »Welche Lieferung?«
»Ich weiß nicht, ich bin wieder eingeschlafen«, krächzte das Frettchen und verkroch sich ängstlich in die hinterste Ecke seines Häuschens.
»Du kannst schlafen, wenn ich da bin! Nachts sollst du wachen! Du bist ein Wächter! Bei den Hexen!«, schrie Ladomir und eilte durch die Wand zurück.
Er griff nach dem Pergament, hielt es prüfend gegen das Licht, betrachtete nochmals das Siegel, doch er konnte keinen Hinweis auf den Adressaten finden. Mit feuchten Händen riss er das Schreiben auf und starrte auf die simplen Worte, die ihm anklagend entgegen sprangen: »Ich weiß, wen du in deinem Haus beherbergst.«
· ~ ·
Geräuschlos glitten sie durch das Portal. Sie schritten so selbstverständlich durch die Wand, als wäre sie nur eine Illusion gewesen. Plötzlich wurde das Brausen in Timothys Kopf weniger, das Auf und Ab im Bauch ließ nach und er hatte langsam das Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu gewinnen. Zu guter Letzt stand alles still.
Timothy war angekommen.
Als er seine Augen öffnete, war das Erste, was er wahrnahm, eine Wand mit Reagenzgläsern. Sie hingen, mit sonderbaren Flüssigkeiten gefüllt, fein säuberlich beschriftet, in einem altertümlichen Regal. Darüber standen verkorkte Gläser, in denen man merkwürdige Kreaturen konserviert hatte, oder zumindest Teile von ihnen. In einem schwamm eine skelettierte Klaue dicht neben einem Glas, das randvoll mit Augäpfeln, so groß wie Tennisbälle, gefüllt war.
Timothy ließ vorsichtig Loos Hand los und drehte sich zögernd um. Er registrierte gerade noch, wie die letzten Umrisse des Portals verblassten und nichts als die rötliche Wand hinterließen.
»Das hatten wir so nicht vereinbart, Junge«, krächzte eine heisere Stimme ungehalten. »Wenn du
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