Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
dessen Existenz mehr als fraglich ist.« Malignus zuckte mit den Achseln und verzog abschätzig die Mundwinkel. »Aber Darius war der Überzeugung, die Prophezeiung, die besagt –«
»Ich kenne die Prophezeiung. Fasst Euch kurz!«
»Die Suche wurde ein grandioser Misserfolg; was Darius aber nur in seiner Annahme bestärkte, dass es der Erlöser sein wird, der die Drudel findet. Als Erfüllung der Prophezeiung sozusagen.«
Zyracc sah auf. Im Gegensatz zu dem Crucio hatte er seine Emotionen nicht im Griff, und unverhohlenes Verlangen stand in seinem Gesicht. »Und dieser Mensch könnte mir den Weg zu der Drudel weisen. Es wäre ein Leichtes, ihn danach zu töten, und dann wäre ich der Erlöser, der die Lemuren in die Oberwelt führt und sie von der menschlichen Seuche befreit.«
Einen Moment hing der Homordenführer seinen Gedanken nach, dann beugte er sich ruckartig nach vorn und hielt Corr auffordernd seinen Becher hin.
»Du kannst dich nützlich machen, Corr«, sagte er, während sein Diener nachschenkte. »Ich werde die menschliche Kreatur zunächst unangetastet lassen. Warten wir ab, ob er uns die Drudel in die Hände spielt, aber sorge du dafür, dass der Mensch vom Morgenglühen bis zum Abendleuchten überwacht wird. Danach wirst du mir berichten. Wenn er Schwierigkeiten macht oder fündig wird, bring ihn her!«
Sein Diener buckelte ergeben. »Was ist mit der Nacht, Meister? Ich kann mich nicht unbemerkt in dem Haus aufhalten, in dem der Mensch untergebracht wurde.«
»Dafür habe ich bereits gesorgt«, antwortete Zyracc und lehnte sich zufrieden zurück. »Und nun zu Euch, Malignus.«
»Was wünscht Ihr, das ich als Nächstes tue?«, fragte der Crucio gedehnt.
»Bereitet alles für ein Fest vor«, befahl sein Anführer. »In drei Diaren sollen sich meine Homorden hinter den Sümpfen treffen, und zwar in der Grotte.«
Malignus schwarze Augen weiteten sich jäh.
»Eine starke Emotion für einen Crucio«, äußerte Zyracc befriedigt. »Doch Eure Furcht ist unbegründet, die Pentraden werden sich ruhig verhalten.«
· ~ ·
Timothy wachte von einem fürchterlichen Kitzeln an seiner Nasenspitze auf. Er musste niesen, rieb sich die Augen und blinzelte irritiert. Auf seinem Kopfkissen fand er Dibs zufrieden schnurrend, die blauen Haare in Timothys Gesicht gedrückt. Eigentlich hatte Loo ihn am Abend zuvor in Scibbos Wächterhäuschen befohlen. Es war Timothy ein Rätsel, wie Dibs es unbemerkt ins Haus geschafft hatte. Loo schlief noch; eine pinkfarbene Mütze über die Augen gezogen, lag er säuselnd in seiner Hängematte.
Leise stahl sich Timothy aus dem Bett und zog die Jeans und den Sweater an, den Avy ihm am Abend zuvor mit den Worten »Damit du endlich wie ein normaler Junglibere aussiehst!«, überreicht hatte, dazu ein Lederband mit Perlen. Timothy fühlte sich schon viel wohler. Dann fiel sein Blick auf olivgrüne Shorts, die ordentlich zusammengelegt neben einem knallblauen Shirt lagen, beides nicht größer als Waschlappen.
Timothy sah lächelnd zu Dibs hinüber. Der kleine Glunz würde Avy dafür vor Begeisterung um den Hals fallen.
Mit dem Fuß wischte er Loos hellgrüne Weste von der Erde und sah durch das Bodenfenster ins Wohnzimmer. Es war noch leer. Ein Blick auf die Via Aurum verriet ihm, dass es noch recht früh sein musste. Die schwebenden Laternen strahlten zwar schon, aber außer einem schlurfenden Troll war niemand zu sehen. Sie hatten sich mit Avy um halb nach Morgenglühen verabredet, wann auch immer das sein sollte.
Am Abend zuvor war die Bibliothek natürlich bereits geschlossen gewesen, als Dibs und Timothy sie schließlich erreicht hatten, kein Wunder, es musste mitten in der Nacht gewesen sein. Heute wollten sie deswegen schon vor Ort sein, wenn die Tore geöffnet wurden.
Timothy fiel es schwer, seine Ungeduld zu zügeln. Er brannte darauf, seinen Freunden von dem Märchenerzähler zu berichten. Gestern war er einfach zu müde gewesen.
Ein aufgeregtes Quieken ließ ihn herumfahren. Dibs tänzelte mit dem blauen Shirt im Arm durch den Raum und sang dabei in schrägsten Tönen ein Loblied auf Avy. Loo hatte sich schlagartig in seiner Hängematte aufgerichtet und sah mit großen Augen dem Glunz nach. Gerade als er zu wüsten Beschimpfungen ansetzten wollte, hörten sie schwere Schritte näher kommen.
Irgendjemand wirklich Großes stieg langsam die Treppe zu ihnen hinauf. Loo presste den Finger auf seinen Mund, mit der anderen Hand scheuchte er Dibs hinter einen Stapel
Weitere Kostenlose Bücher