Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
leer, die andere über Wiesenkräuter. Bei WI war's dann zu Ende«, antwortete Avy bedrückt, und Timothy bemerkte, dass ihre Haut nicht mehr glitzerte.
»Ich hab bei D aufgehört, als der Bucklige kam«, ergänzte er.
Alle Augen lagen auf Dibs.
»Wir haben bei BA angefangen und sind bis BI gekommen. Dann haben wir Timothy rufen gehört.«
»Soll das heißen, dass du nur einen einzigen Gang geschafft hast?«, blaffte Loo.
»Moment mal …« Mit zusammengekniffenen Augen sah Timothy über den Hauptgang hinweg zu der gegenüberliegenden Seite. »An den Pfeilern dort steht ja auch W – Wo sind denn die restlichen Regale?«
»Warte, die sind bestimmt oben«, meinte Avy und eilte die Wendeltreppe zur Empore hinauf. »Hier ist XA bis XY. – Das verstehe ich nicht!«, rief sie über die Brüstung gelehnt. »Ich weiß genau, dass ich mir mal Yaiza – Opfer der Liebe geliehen habe. Und damals standen alle Bücher noch da, wo sie hingehören.«
Loo lachte auf. » Yaiza – Opfer der Liebe? Und ich lese Kitschromane?«
Avy stakste mit hellrotem Kopf die Treppe herunter. »Gütige Wurzel! Ich war damals erst vierhundert – und außerdem durfte ich es gar nicht lesen. Als Daa mich erwischt hat, musste ich es unter seiner Aufsicht zurückbringen.« Trotzig schob Avy die Unterlippe vor. »Ich weiß noch, dass ich dachte: Alle starren mich an. Und der Hauptgang schien gar kein Ende zu nehmen, bis wir endlich bei Y waren.«
»Hier ist jedenfalls Ende«, sagte Loo und pochte gegen die Wand.
»Sicher?« Timothy griff nach dem Druidenstab, um mit dem unteren Ende vorsichtig die Wand abzuklopfen. Mit angespannten Gesichtern lauschten die anderen dem gleichtönigen Pochen.
»Da! Klopf noch mal dort unten!«, verlangte Loo.
Der dumpfe Ton unterschied sich tatsächlich von dem hellen Klopfen zuvor. Ratlos blickten die Freunde auf die graue Wand. Sie konnten kein Anzeichen für eine geheime Tür oder einen verborgenen Zugang entdecken.
Stirnrunzelnd legte Timothy den sichtlich empörten Stab zur Seite. »Vielleicht sollten wir die Bibliothekarin fragen. Sie dürfte wissen, was dahinter ist, oder?«
»Blödsinn!«, sagte Loo und ging einige Schritte zurück, um Anlauf zu nehmen. Kurz vor der Wand setzte er zum Sprung an, schnellte in die Höhe und fand sich im nächsten Augenblick auf dem Rücken wieder. »Die bescheuerte Mauer ist geschützt!«
»Geschützt?« Timothy streckte Loo die Hand entgegen.
»Ja, was weiß ich«, schnaubte er und rieb sich den schmerzenden Hintern. »Stahl oder fauler Zauber.« Wütend schlug er mit den Fäusten gegen die Steine. »Was – auch – immer – da – versteckt – ist«, donnerte er bei jedem Hieb, »wir – finden – es – raus!«
Putz bröckelte zu Boden.
»Wo rohe Kräfte sinnlos walten …«, murmelte der Stab.
Aus der Ferne hörten sie die zeternde Stimme der Bibliothekarin. »Bitte – was ist das für ein Lärm? Dies ist ein Ort der Ruhe! Ein Ort der Ruhe!«
Timothy sah ihre flatterhafte Gestalt auf die Empore eilen. »Und jetzt?«, fragte er mit Blick auf Avy, die mit dem Finger einen Riss in der Wand untersuchte.
»Das werden wir gleich sehen«, sagte sie lächelnd, hob die Hand, als wollte sie Dibs tätscheln und schloss die Augen.
Lautlos zog sich die Pfütze zu ihren Füßen zu einem Rinnsal zusammen, bewegte sich auf Avy zu und verschmolz mit dem modrigen Wasser aus dem Mittelgang. Als Avy die Augen wieder öffnete, hatte sich vor ihnen ein zylinderförmiger Wasserturm aufgebaut.
Keiner sprach ein Wort.
Unter Avys Händen formte sich die Säule zu einem flachen Spiegel, der langsam in den Riss des Mauerwerks kroch.
Ein Entsetzensschrei ließ die Freunde aufhorchen. Direkt über ihnen stand die Bibliothekarin und schlug sich die Hand vor den Mund. Ihr Gesicht war kalkweiß. »Du gütige Wurzel! Was macht ihr denn da?«
Im gleichen Augenblick brach das Mauerwerk unter ohrenbetäubendem Krachen auf. Das Wasser spülte Holz und Schutt heraus, ein paar Steine lösten sich von der Decke und hinterließen ein klaffendes Loch. Der dahinter liegende Raum war dunkel.
Die Bibliothekarin hatte sich gefangen und eilte die Treppe hinunter. »Nicht! Das dürft ihr nicht – dürft ihr nicht!«, schrie sie zwei Stufen auf einmal nehmend.
Doch Timothy, der sich durch nichts in der Welt davon abhalten lassen wollte, war schon durch das Loch geschlüpft und klopfte sich den Staub von der Hose. Die anderen kletterten hinterher.
Noch bevor sich ihre Augen an das Dunkel
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