Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
haben. Es war … rosa.«
Lavina sah sich hektisch nach allen Seiten um. »Rosa oder pinkfarben?«
»Ist da ein Unterschied?«, fragte Timothy erstaunt und vernahm im gleichen Moment ein leises Fiepen.
Mit einem Satz war Loos Mutter auf den Beinen und in die hinterste Ecke des Raumes gesprungen. »Oh nein! Nicht schon wieder einer! Loo – schnell! Lauf und hol die Gobbelbändiger«, presste sie heraus und hielt das Wankelmotorbuch vor ihr Gesicht. Sie zitterte wie Espenlaub.
Loo nickte knapp. Mit wachsamem Blick drückte er sich an der schrägen Wand vorbei und permatierte direkt auf die Via Aurum. Plötzlich war es mucksmäuschenstill im Zimmer. Selbst Avy war zur Salzsäule erstarrt. Unbeweglich stand sie vor dem Kissenberg, ihren Zeigefinger fest auf den Mund gepresst.
»Was ist denn los?«, fragte Timothy mit besorgtem Blick.
Avy schielte in die gegenüberliegende Ecke zum flachen Holztisch, drückte ihren Finger noch fester auf den Mund und stieß sie ein kurzes »Psch!« aus.
Timothy sah sie stirnrunzelnd an.
Aus der Ecke des Zimmers kam ein leises Knurren. Es war kein gefährliches Knurren wie bei dem furchteinflößenden Tarp aus der Bibliothek, sondern ein niedliches Knurren, mehr wie das eines Welpen, der an einem Tau zog. Ohne nachzudenken ging Timothy darauf zu.
»Timothy – NICHT!«, zischte Avy.
Doch er hatte den Tisch bereits erreicht und lugte über die Kante. »Meine Güte, der ist ja …! Avy! Hast du etwa auch Angst vor Mäusen?«, fragte er mit gespielten Tadel.
Auf der Erde kauerte eine pinkfarbene Plüschkugel, die an einen Tennisball erinnerte, den man unter Strom gesetzt hatte. Der Gobbel war tatsächlich kugelrund und bestand scheinbar nur aus Fell und großen, vorstehenden Augen, mit denen er wachsam zu Timothy hoch sah. Seine Pupillen waren riesig.
»Hey, wer wird denn vor dir Angst haben«, sagte Timothy lächelnd und streckte die Hand aus. Der Gobbel blinzelte hektisch. »Ich tu dir bestimmt nichts, kleines Fellknäuel. Komm, lass dich …«
Lautes Gepolter unterbrach Timothy, und Lilli hüpfte im denkbar falschesten Moment die letzte Stufe der Treppe hinunter. »Was ist denn hier los?«
»Lilli – hierüber«, flüsterte Lavina
»Was – wieso denn?« Lilli sah von ihrer Mutter über Avy zu Timothy, der mitten in der Bewegung innegehalten hatte. »Ahhh! Da… das ist nicht gut … gar nicht gut«, brachte sie gerade noch heraus, da entblößte der Gobbel sein unvorstellbar großes Maul, das er bisher hinter dem plüschigen Fell verborgen hatte. Mehrere Reihen messerscharfer Fangzähne bleckten Timothy entgegen.
Er spürte, wie schlagartig das ihm bekannte Zittern seinen Körper ergriff. Es war wie in der Bibliothek, als der Bucklige auf ihn zukam. Aus plötzlicher Furcht entstand der übermächtige Wunsch zu laufen.
Die gewaltigen Pupillen des Gobbel schrumpften zu Stecknadelköpfen. Er fixierte sein Gegenüber.
Timothy registrierte all das in klaren, aufeinanderfolgenden Bildern, obwohl seit Lillis Aufschrei nicht mehr als eine Sekunde vergangen sein konnte. In dieser Sekunde jedoch war genug Zeit, Bedrohungen zu erkennen und einzuschätzen, um die richtige Entscheidung zu fällen. Er erfasste auf einen Blick die Kraft des gewaltigen Gebisses, registrierte, wie der Gobbel seinen Körper flach wie einen Pfannkuchen drückte – bereit zum Sprung – und schätzte dabei seine wahrscheinliche Geschwindigkeit ab. Die Entscheidung war gefallen: »Flieh!«
Im gleichen Moment erreichte das Zittern seine Beine. Der Gobbel schoss senkrecht in die Höhe – Timothy schnellte zur Tür. Sie öffnen zu müssen, war ein ärgerliches Hindernis. Er hätte schon längst am Ende der Via Aurum sein können. Sein Verstand war jetzt nur noch darauf programmiert zu rennen; alle Nebensächlichkeiten wurden ausgeblendet. Er drückte die Klinke.
»Aaaah! Hilfe, Maa – hiiiilf mir! Timothy, Maa! – Es beißt mich!«
Irgendetwas gewann über seinen Instinkt Oberhand. Vielleicht war es sein Name. Jemand hatte seinen Namen gerufen. Timothy fuhr herum und sah Lilli wild um sich schlagen.
»Iiaa! Maa nun tu doch was! Er ist in meinen Haaren!«
Seine Panik flachte ab. Stattdessen spürte er Wut in sich aufsteigen. Wut und da war noch etwas anderes. Ein neues Gefühl, das er nicht einordnen konnte. Timothy merkte, dass er nicht er selbst war. Und seine Wahrnehmungen veränderten sich. Er sah, wie Lilli sich in ihm unverständlicher Langsamkeit im Kreis drehte. Ihr unbändiges Haar flog um
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