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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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glaube ich, daß mir schon damals langsam klar wurde, was sie meinte.
    »All mein großes Gerede«, sagte sie, und ihre Stimme wurde noch undeutlicher, verzerrt von einer Reue, die ihr die Kehle zuschnürte. »Nur Gerede. Aber ich war nicht... konnte nicht... als es darauf ankam... konnte nicht...« Sie rang nach Atem und drückte sich noch fester gegen mich. »Ich habe dir gesagt, es würde mir nichts ausmachen, aber schließlich hat es mir doch etwas ausgemacht.«
    »Hör auf«, flüsterte ich. »Alles in Ordnung, es ist alles in Ordnung.«
    »Deine Andersartigkeit«, sagte sie, und jetzt wußte ich genau, was sie meinte. »Deine Andersartigkeit. Am Ende hat sie eine Rolle gespielt. Und ich habe mich von dir abgewendet. Aber jetzt bist du auf einmal für mich da. Du bist da, wo ich dich brauche.«
    Bobby trat von der Küche auf die Veranda. Er wollte allerdings nicht nachsehen, was es mit einem verdächtigen Geräusch auf sich hatte, und er ging auch nicht hinaus, damit wir ungestört waren. Seine behäbige Gleichgültigkeit war eine harte Schale, in der sich ein schneckenweicher, sentimentaler Bobby Halloway befand, von dem er glaubte, niemand würde ihn kennen, nicht einmal ich.
    Sasha schickte sich an, Bobby zu folgen. Als sie mich ansah, schüttelte ich den Kopf und ermutigte sie, in der Küche zu bleiben.
    Sichtlich verunsichert beschäftigte sie sich damit, wieder eine Tasse Tee aufzugießen, obwohl Lilly schon die erste nicht angerührt hatte.
    »Du hast dich nie von mir abgewendet, nie«, sagte ich zu Lilly, hielt sie fest, strich ihr mit einer Hand über das Haar und wünschte mir, das Leben hätte uns nie einen Augenblick beschert, in dem sie das Bedürfnis verspürte, mit mir über das Vergangene zu sprechen.
    Vier Jahre lang - anfangs waren wir beide sechzehn - hatten wir gehofft, uns ein gemeinsames Leben aufbauen zu können, aber wir wurden unterdessen erwachsen. Zum einen wurde uns klar, daß das Risiko, sollten wir Kinder bekommen, viel zu groß wäre, daß auch sie XP hatten. Ich hatte mit meinen Beschränkungen Frieden geschlossen, konnte es aber nicht rechtfertigen, ein Kind in die Welt zu setzen, das damit belastet sein würde. Und selbst wenn das Kind ohne XP geboren würde, müßte es schon in jungen Jahren ohne Vater aufwachsen, denn ich würde wahrscheinlich nicht erleben, es bis in seine Teenagerjahre heranwachsen zu sehen. Ich für meinen Teil wäre damit zufrieden gewesen, kinderlos mit Lilly zu leben, aber sie sehnte sich nach einer Familie, was nur natürlich und richtig war. Und sie hatte auch mit der Gewißheit zu kämpfen, schon jung Witwe zu werden - und mit der schrecklichen Aussicht auf die zunehmenden körperlichen und neurologischen Funktionsstörungen, die mich während meiner wenigen letzten Jahre mit Sicherheit heimsuchen würden: undeutliche Aussprache, Gehörverlust, unkontrollierbares Zittern des Kopfs und der Hände, vielleicht sogar geistige Beeinträchtigungen.
    »Wir beide wußten, daß es enden mußte, wir beide«, sagte ich zu Lilly, und das entsprach der Wahrheit, denn nachträglich war mir bewußt geworden, zu was für einer furchtbaren Belastung ich schließlich für sie geworden wäre, und das alles im Namen der Liebe.
    Um ganz ehrlich zu sein, ich wäre so selbstsüchtig gewesen und hätte sie zur Hochzeit überredet und zugelassen, daß sie während meines irgendwann anstehenden Abstiegs in die Gebrechlichkeit und Behinderung gemeinsam mit mir leidet, weil der Trost und die Freundschaft, die sie mir hätte geben können, meinen Verfall erträglicher und nicht so furchterregend hätte gestalten können. Ich hätte mich vielleicht vor der Erkenntnis verschlossen, daß ich ihr Leben ruinierte, um meines zu verbessern. Ich bin nicht zum Heiligen geschaffen; ich bin nicht selbstlos. Sie hatte zögerlich und entschuldigend die ersten Zweifel geäußert. Ich hatte ihr zugehört und war im Verlauf einiger Wochen langsam zu dem Schluß gekommen, daß sie das Opfer zwar für mich gebracht hätte - und ich wollte, daß sie das tat ., daß die Liebe aber, die sie für mich noch empfand, nach meinem Tod zerfressen worden wäre und sich in Groll und berechtigte Verbitterung verwandelt hätte. Da ich nicht lange leben werde, habe ich das ureigene und zutiefst selbstsüchtige Interesse, daß diejenigen, die mich kennen, mich in ihren Erinnerungen lebendig halten. Und ich bin so eitel, mir zu wünschen, daß es sich dabei um schöne Erinnerungen handelt, Erinnerungen, die

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