Im Bann der Dunkelheit
der auf dem ägyptischen Sofa ausgestreckt lag. Er war in dunkle Hosen und ein weißes Hemd gekleidet. Bevor er sich hingelegt hatte, hatte er sich die Schuhe ausgezogen - sie auf den Boden gestellt und die Schnürsenkel ordentlich nach innen gelegt ., als wollte er unbedingt vermeiden, die Bezüge der Sitzkissen zu beschmutzen. Neben den Schuhen stand ein Trinkglas aus der Garnitur, die wir im Eßzimmer gesehen hatten - Waterford-Kristall, wie es den Eindruck machte ., in dem sich noch ein Rest Fruchtsaft befand. Der linke Arm war vom Sofa gerutscht, so daß der Handrücken auf dem persischen Teppich lag; der rechte Arm lag auf dem Brustkorb. Der Kopf ruhte auf zwei kleinen Brokatkissen, und das Gesicht war von einem quadratischen Tuch aus schwarzer Seide verhüllt. Sasha sicherte den Bereich hinter uns. Sie war weniger an der Leiche interessiert, als daran, uns vor einem Überraschungsangriff zu schützen.
Der schwarze Schleier über dem Gesicht zeigte keine Bewegung, weder ein Aufbauschen noch ein Flattern. Der Mann darunter atmete nicht.
Ich wußte, daß er tot war, wußte, was ihn getötet hatte keine ansteckende Krankheit, sondern ein Phenobarbitalcocktail oder etwas ähnlich Tödliches ., und dennoch zögerte ich, das Seidentuch zu entfernen. Ich kam mir vor wie ein Kind, das den Schwarzen Mann für möglich hält und kein Verlangen verspürt, die Decke zurückzuschlagen, sich von der Matratze zu erheben, sich vorzubeugen und unters Bett zu schauen.
Vorsichtig faßte ich einen Zipfel des Tuchs zwischen Daumen und Zeigefinger und zog es schließlich vom Gesicht des Mannes.
Er lebte. Das war jedenfalls mein erster Eindruck. Die Augen waren geöffnet, und ich glaubte, Leben darin zu erkennen.
Nach einem atemlosen Augenblick bemerkte ich, daß die Pupillen völlig starr waren. Sie schienen sich nur zu bewegen, weil sich die Fernsehbilder zuckend darin spiegelten.
Das Licht war gerade hell genug, daß ich erkennen konnte, wer der Verstorbene war. Er hieß Tom Sparkman. Er war ein Kollege von Roger Stanwyk, ein Professor in Ashdon, ebenfalls Biochemiker und zweifellos tief in den Wyvern-Fall verstrickt.
Die Leiche wies keine Spuren des Verfalls auf. Sie konnte noch nicht lange hier gelegen haben.
Widerstrebend berührte ich mit dem linken Handrücken Sparkmans Stirn. »Noch warm«, flüsterte ich.
Wir folgten Roosevelt zu einem Sofa mit Quasten und geschnitzten Holzleisten, wo ein zweiter Mann lag. Er hatte die Hände über dem Unterleib verschränkt und trug noch seine Schuhe. Ein geleertes Glas lag umgekippt auf dem Teppich, wo er es offenbar fallen gelassen hatte.
Roosevelt zog das Tuch aus schwarzer Seide fort, mit dem das Gesicht des Mannes verhüllt war. Hier war das Licht nicht so gut, daß man die Leiche hätte identifizieren können, da sie weiter vom Fernseher entfernt war als Sparkman.
Ich schaltete ganz kurz die Taschenlampe ein. Leiche Nummer zwei war Lennard Toregard, ein schwedischer Mathematiker mit einem Vierjahresvertrag, der ihn dazu verpflichtete, in Ashdon ein Seminar pro Semester zu geben. Das war bestimmt nur ein Deckmantel für seine eigentliche Arbeit in Wyvern gewesen. Toregards Augen waren geschlossen. Das Gesicht wirkte entspannt. Das leise Lächeln ließ einen glauben, daß er gerade einen angenehmen Traum hatte - oder einen gehabt hatte, während er starb.
Bobby schob zwei Finger unter Toregards Handgelenk, um nach dem Puls zu fühlen. Er schüttelte den Kopf: nichts.
Schatten wie von Fledermausflügeln huschten über eine der Wände und dann über die Decke.
Sasha wirbelte sofort herum.
Ich griff unter meine Jacke, aber da war kein Halfter und keine Waffe.
Die Schatten waren lediglich durch eine plötzliche Aktion auf dem Fernsehbildschirm durch den Raum geworfen worden.
Die dritte Leiche saß zusammengesunken in einem großen Lehnsessel, die Beine auf einer dazu passenden Fußbank, die Arme auf den Armlehnen. Bobby entfernte das Seidenruch, ich schaltete die Lampe kurz ein und wieder aus, und Roosevelt flüsterte: »Colonel Ellway.« Colonel Eaton Ellway war der stellvertretende Kommandeur von Fort Wyvern gewesen, er hatte sich nach der Schließung des Stützpunkts in Moonlight Bay zur Ruhe gesetzt. Zumindest offiziell. Möglicherweise hatte er, wenn auch in Zivil, weiterhin gearbeitet und Geheimaufträge erledigt.
Nachdem es keine weiteren Toten zu inspizieren gab, wurde mir schließlich bewußt, was der Fernseher zeigte. Auf einem Kabelkanal lief Disneys Der König
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