Im Bann der Dunkelheit
verborgenen Einrichtung dieses Stützpunkts waren gentechnische Experimente durchgeführt worden - und wurden dort vielleicht noch immer durchgeführt - die einen katastrophalen Ausgang genommen hatten.
Ratten finden ja bei der medizinischen Forschung ziemlich breite Verwendung. Ich hatte zwar keine Beweise, aber jede Menge Gründe für die Annahme, daß diese Nagetiere bei einem solchen Experiment benutzt worden waren, auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, wie ihre Knochen hierhergekommen waren.
Das Geheimnis der Wyvern-Ratten war nur ein weiteres der schier unendlich vielen Rätsel, die Fort Wyvern barg, und hatte offensichtlich mit dem jetzt am dringendsten zu lösenden Geheimnis, nämlich Jimmy Wings Verschwinden, nichts zu tun. Zumindest hoffte ich das. Der Himmel mochte verhüten, daß ich ein Stück den Gang entlang hinter einer weiteren Tür die rituell arrangierten Skelette fünfjähriger Jungen fand. Ich trat zurück, verließ das Nagetieräquivalent des legendären Elefantenfriedhofs und schob die Tür mit einem so übernatürlich leisen Klicken zu, daß nur eine Katze auf Methamphetaminen es hätte vernehmen können.
Ein kurzes Schwingen der Taschenlampe, die in meiner Hand immer heißer wurde, zeigte mir, daß der Gang immer noch verlassen dalag.
Ich schlich zur nächsten Tür. Rostfreier Stahl. Keine Aufschrift. Klinke. Alles genauso wie bei der vorherigen.
Dahinter lag ein Raum von den Ausmaßen des ersten; Rattenskelette gleich Null. Der geflieste Boden und die gestrichenen Wände glänzten, als hätte man sie gerade erst gewienert.
Ich war erleichtert, daß nichts auf dem Boden lag.
Als ich rückwärts aus dem zweiten Raum trat und leise die Tür zuzog, erklang wieder einmal die Trollstimme, diesmal allerdings näher als zuvor, aber noch immer zu gedämpft, als daß ich auch nur ein Wort hätte verstehen können. Sowohl vor als auch hinter mir blieb der Korridor menschenleer.
Einen Augenblick lang wurde die Stimme lauter und schien näher zu kommen, als ginge der Sprecher zu einer Tür, um jeden Moment in den Gang hinauszutreten.
Ich schaltete die Taschenlampe aus. Und wieder schloß sich die klaustrophobische Dunkelheit um mich, so weich wie das Kapuzengewand des Sensenmannes und mit fast genauso tiefen Taschen.
Die Stimme grollte ein paar Sekunden lang vor sich hin und brach dann abrupt ab, anscheinend mitten im Satz.
Ich hörte weder, daß eine Tür geöffnet wurde, noch ein anderes Geräusch, das darauf hätte schließen lassen, daß der Kidnapper den Korridor betreten hatte. Außerdem hätte hereinfallendes Licht ihn verraten müssen, wenn das der Fall gewesen wäre. Ich war also noch immer allein hier - nur warnte mich ein ungutes Gefühl, daß ich bald Gesellschaft bekommen würde.
Ich stand mit dem Rücken an der Wand und drehte das Gesicht aus der Richtung, aus der ich gekommen war, herum zu den noch unerkundeten Gefilden. Die ausgeschaltete Taschenlampe in meiner Hand war nun wieder ganz kalt, dafür fühlte sich jetzt die Pistole heiß an.
Je länger die Stille andauerte, desto bodenloser schien sie zu werden. Schon bald war sie in meiner Vorstellung ein Abgrund, in dem ich versank, immer tiefer, wie ein Tiefseetaucher, den man mit Bleigewichten behängt hat.
Ich lauschte so angestrengt, daß ich halbwegs davon überzeugt war, die feinen Härchen in meinem Gehörkanal vibrieren zu fühlen. Und doch konnte ich nur ein Geräusch hören, und es kam eindeutig von innen: das dicke, flüssige, dumpfe Schlagen meines Herzens, ein schnelleres Schlagen als normal, wenn auch noch nicht rasend.
Als die Zeit verstrich, ohne daß ein Geräusch erklang oder ein Lichtkeil plötzlich aus einer Tür in den Korridor fiel, wuchs in mir die Überzeugung, daß sich trotz allem, was meine Instinkte mir gesagt hatten, die Trollstimme zurückgezogen und nicht etwa genähert hatte. Wenn ich nicht dicht hinter ihnen blieb, würde ich die Spur des Entführers und des Jungen, so sie in Bewegung waren und sich von mir entfernten, nur verlieren.
Ich wollte also die Taschenlampe gerade wieder einschalten, als mich ein Schaudern abergläubischer Furcht durchfuhr. Es war so, als wäre ich auf einem Friedhof und hätte einen Geist über das im Mondlicht wabernde Gras zwischen den Grabsteinen gleiten sehen. Als hätte ich Bigfoot in den Wäldern des Nordwestens herumhüpfen sehen. Als hätte ich vor irgendeinem Garagentor gestanden und in einer Regenpfütze das Antlitz von Jesus oder der Heiligen
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