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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Ektoplasma. Sie trug Baumwollhosen, etwas, das wie ein gelbes Polohemd aussah, und eine nußbraune Sportjacke. Sie war weniger eine Gestalt aus dem Grab oder dem Jenseits als eher eine aus der Herrenabteilung eines Billigkaufhauses.
    Der Mann war etwa dreißig Jahre alt, knapp eins fünfundsiebzig groß und so stämmig wie ein Bulle, der in einem Paar Nikes auf den Hinterläufen stand. Das kurzgeschnittene schwarze Haar, die irren gelben Hyänenaugen und die dicken roten Lippen unterstützten noch den Eindruck, daß dieser Mann einfach zu massig war, um so geräuschlos durch die nahtlose Dunkelheit geglitten zu sein. Die Zähne waren so klein wie weiße Maiskörner und das Lächeln wie eine kalte Beilage, die er in großzügigen Portionen verteilte, während er den Knüppel schwang, den er in der Hand hielt.
    Zum Glück war es nur eine Holzlatte und nicht etwa eine Eisenstange, und er war mir zu nah, um so kräftig auszuholen, daß er mir die Knochen zerschmettern konnte. Statt beim Anblick des Knüppels zurückzuweichen, trat ich also vor und rempelte den Burschen an, um die Wucht des Schlags zu minimieren, und versuchte gleichzeitig, die Glock auf ihn zu richten, wobei ich hoffte, daß der bloße Anblick der Waffe ihn zum Rückzug bewegen würde. Er schwang die Latte nicht über die Schulter, also nicht so, wie ein Holzfäller seine Axt niederbringen würde, sondern vielmehr von der Seite wie ein abschlagender Golfer. Er streifte mich damit an der linken Seite und traf mich unter dem Arm. Der Schlag war nicht verheerend, aber zweifellos schmerzhafter als eine japanische Massage. Die Taschenlampe flog mir aus der Hand und polterte radschlagend über den Boden.
    Die gelben Augen meines Gegenübers flackerten. Ich war mir sicher, daß er die Pistole in meiner rechten Hand gesehen haben mußte, und ging davon aus, daß sie eine unangenehme Überraschung für ihn war.
    Die radschlagende Taschenlampe prallte gegen die hintere Wand, fiel auf den Boden zurück, ohne daß dabei die Linse zerbrach, wirbelte herum wie die leere Weinpulle beim Flaschendrehen und warf dabei leuchtende Spiralen auf die glänzenden blauen Wände ringsum.
    Während die Taschenlampe noch scheppernd zurück auf den Boden fiel, holte mein lächelnder Angreifer auch schon zu einem weiteren Schlag aus. Diesmal handhabte er die Latte wie einen Baseballschläger.
    Durch den ersten Schlag belehrt, rief ich diesmal drohend: »Nicht!«
    Die gelben Augen des Mannes verrieten keine Angst vor der Waffe, der Ausdruck auf seinem breiten, stumpfen Gesicht kündete vielmehr von erbarmungslosem Zorn.
    Ich krümmte den Finger um den Abzug, während ich mich drehte, um dem Schlag auszuweichen. Der Prügel schnitt mit solcher Wucht durch die Luft, daß es Knochen- und Holzsplitter in meine Schläfenlappen getrieben hätte, wäre es mir nicht gelungen, zur Seite zu springen, während die 9mm-Kugel laut, aber ohne weiter Schaden anzurichten, von einer Wand des Betondurchgangs gegen die andere prallte.
    Anstatt den Schlag abzubrechen, führte der Mann ihn vollständig durch und ließ sich von dem Schwung um dreihundertundsechzig Grad herumreißen. Während die Taschenlampe sich nun allmählich etwas langsamer drehte, hüpfte die verzerrte Silhouette des Angreifers wie ein Karussellpferd immer im Kreis durch den Korridor, und aus dem galoppierenden Schatten stürmte der Mann selbst auf mich zu, während ich rückwärts gegen die glatte Wand gegenüber den Türen schlug.
    Er war so kompakt wie ein Würfel aus zerquetschten Automobilen frisch aus der Schrottpresse eines Autofriedhofs, die Augen hell, aber ohne Tiefe, das Gesicht verkrampft und gerötet vor Zorn, das Lächeln erstarrt und humorlos. Er schien nur zu einem Zweck geboren, aufgewachsen, gehätschelt und ausgebildet worden zu sein: um mich zu Brei zu schlagen.
    Ich mochte diesen Mann nicht.
    Und doch wollte ich ihn nicht töten. Wie schon gesagt, ich stehe nicht aufs Töten. Ich surfe, ich lese Gedichte, ich schreibe Artikel und Bücher und halte mich gern für eine Art Renaissance-Menschen. Wir Renaissance-Menschen greifen im allgemeinen nicht auf Blutvergießen als erste und einfache Lösung eines Problems zurück. Wir denken. Wir grübeln. Wir brüten. Wir wägen mögliche Wirkungen ab und analysieren die komplizierten moralischen Konsequenzen unserer Taten, ziehen es vor, statt Gewalt Überzeugungskraft und Verhandlungsgeschick einzusetzen, immer von der Hoffnung getragen, daß jede noch so starke

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