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Im Bann der Engel

Im Bann der Engel

Titel: Im Bann der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Gref
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Weg, als das Rätsel mit Hilfe der Unterlagen zu lösen.
    Sie rieb sich erschöpft die brennenden Augen und griff nach dem nächsten engbedruckten Bogen Papier.
    Sie war so vertieft in ihre Lektüre, dass sie die dumpfen Schläge zuerst nur für Aussetzer in den gewaltigen Kolben der Dampfmaschine in der Kesselhalle hielt, der einzigen Maschine, die so spät noch im Einsatz war. Dann mischte sich ein anderes Geräusch unter das Dröhnen und Hämmern. Es waren Schreie.
    Elena hielt die Luft an und konzentrierte sich auf die Geräusche. Kein Zweifel, dort oben wurde gekämpft. Dann hörte sie, wie sich der Aufzug in Bewegung setzte. Die Seilwinde quietschte und es rumpelte im Fahrstuhlschacht. Elena sprang auf und löschte die Lampen. Sofort entflammte der ovale Glaseinsatz in der Decke und tauchte ihr Büro in schwaches rötliches Licht. Der Fahrstuhl war da. Nur noch der Seitengang und ihre Bürotür mit der Milchglasscheibe trennten sie von demjenigen, der unterwegs zu ihr war. Oder waren es mehrere? Da sie unmöglich den Raum verlassen konnte, ohne gesehen zu werden, ging sie hinter ihrem Schreibtisch in Deckung. Schwere Schritte und Keuchen drangen an ihr Ohr. Der Fahrstuhl setzte sich wieder in Bewegung. Die Schritte erreichten den Seitengang, verharrten direkt vor ihrer Tür. Elena wagte nicht, über die Schreibtischkante zu blicken. Sie verlagerte ihr Gewicht, machte sich noch kleiner und stieß dabei mit dem Ellenbogen gegen den Tisch. Ein Aktenstapel begann zu rutschen. Elenas Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Der Fahrstuhl rumpelte erneut. Die Akten landeten mit einem Knall auf dem Boden. Die Tür zu Elenas Büro wurde aufgerissen. Ein stämmiger Mann mit grimmig verzerrtem Gesicht und einem großen Messer in der Hand starrte sie an. Über seine Brust zog sich ein tiefer Schnitt, sein Hemd hing in Fetzen. Auf seiner linken Schläfe prangte ein Bluterguss. Mit einem wütenden Schrei beugte er sich über den Tisch, fegte eine Lampe und noch mehr Akten zu Boden. Der Mann roch durchdringend nach Schnaps. Sein Messer zischte durch die Luft. Elena wich zurück, fühlte die Wand im Rücken. Der Mann rutschte auf dem verstreuten Papier aus. Die Klinge bohrte sich mit einem dumpfen Laut in die Tischplatte. Als er das Messer heraus zog, flogen Holzsplitter umher. Erneut stürzte er auf Elena zu, die mit hämmerndem Herzen an der Wand kauerte und dem Unvermeidlichen entgegensah. In diesem Moment wurde der Angreifer herumgewirbelt. Er landete mit dem Rücken auf dem Tisch. Elena schrie. Der Engel beachtete sie nicht, sondern hielt dem Mann eine Pistole mit einem gewaltigen Lauf an den Kopf und drückte ab. Elena spritzte warme Flüssigkeit ins Gesicht. In ihren Ohren dröhnte der Schuss. Der Engel packte den Mann an den Beinen und schleifte ihn aus Elenas Büro.
    Wie lange sie bewegungslos an der Wand lehnte, vermochte Elena nicht zu sagen. Erst als die Übelkeit ihren Magen zusammenpresste und sie sich mit einem hohlen Schluchzen übergab, spürte sie wieder, dass sie atmete.

Kapitel 4

    Sophia wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen. Albert rüttelte sie an der Schulter. »Bist du wach?«
    »Nein, ich habe die Augen beim Schlafen immer offen. Was gibt es denn?«, entgegnete Sophia unwirsch.
    »Du musst Madame Hazard aufwarten. Sie muss umgehend zu den Kesseln.«
    »Kann sie nicht alleine…?«
    »Nein, und jetzt geh!«
    Sophia zog einen Morgenmantel über, schlüpfte in ihre Filzschuhe und folgte Albert.
    Als sie in Madames Schlafgemach anlangte, wurde ihr klar, warum Albert sie geholt hatte. Madame Hazards Augenlider waren geschwollen und sie hatte offensichtlich Probleme, den Blick auf einen bestimmten Punkt zu richten. Sie schwankte. In der einen Hand hielt sie einen zierlichen Tanzschuh, in der anderen einen ihrer derben Stiefel, die sie immer trug, wenn sie zu den Kesseln ging.
    »Ich bin es, Sophia«, sprach sie ihre Herrin betont artikuliert an. So derangiert hatte sie Madame noch nie zu Gesicht bekommen.
    Ihre Herrin schien sie nicht wahrzunehmen. Sophia fasste sich ein Herz, nahm Madame Hazard resolut den Tanzschuh aus der Hand und schob sie in Richtung des Stuhls, der vor dem Schminkspiegel stand. Der Stiefel polterte zu Boden. Als sie saß, zog Sophia ihr als erstes das hauchdünne Nachtgewand über den Kopf und sah sich suchend nach Madames Arbeitshemd um. Sophia konnte sich nicht helfen, sie fand sogar in diesem Augenblick, dass Madame Hazard die schönste Frau war, die sie je gesehen hatte.

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