Im Bann der Engel
Bestellung anzuzeigen. Die Sperrstunde wurde ernst genommen, seit der Reverend von der Kanzel gewettert hatte, dass der Satan Einzug gehalten und sich der übermäßige Konsum von Alkohol als sein treuester Weggefährte erwiesen hatte. Die hiesige Kirche besaß großen Einfluss und der Reverend war schlau. Er argumentierte so, dass sich niemand seinen Tiraden verschließen konnte, schon gar nicht die Inhaber diverser Geschäfte. Mit dem Alkohol, hatte er beispielsweise angeführt, würden die Leute schwach und krank. Sie könnten am nächsten Tag nicht pünktlich ihren Dienst versehen, das bedeute großen Schaden für die Industrie Cravesburys.
Die Wirte hatten gemurrt, aber der Bürgermeister hatte die Sperrstunde kurz darauf amtlich gemacht.
Die ersten Gäste zahlten und erhoben sich von ihren Plätzen. Elena sah, dass ihre Verfolger draußen auf und ab gingen.
»Gibt es einen Hinterausgang?«, sprach Elena den Wirt an. Der schob seinen Kautabak von einer Backentasche in die andere und überlegte. »Nee, ham wir nich.«
»Bitte«, flehte sie.
Der Wirt runzelte die Stirn. »Haste was ausgefressen?«
Elena beugte sich verschwörerisch über den Tresen. »Ich verstecke mich vor meinem Mann. Er ist sehr gewalttätig.«
Der Wirt knurrte Unverständliches, dann wies sein schmutziger Finger zu einer unscheinbaren Tür, die Elena für ein Holzpaneel gehalten hatte.
»Da kommste in einen Flur und von da in den Hinterhof. Musst aber über ne echt hohe Mauer klettern, um wieder auf die Straße zu kommen.«
»Das macht nichts. Vielen Dank.« Elena legte eine Pfundnote auf die Theke und trat die Flucht an.
Madame Hazard litt unter schrecklichen Kopfschmerzen. In der Luft hingen die Gerüche des Kampfes: Schweiß, Blut, Angst. Aus den Berichten der einzelnen Wachschützer hatte sie sich zusammengereimt, dass eine Gruppe sehr gewalttätiger Menschen zielgerichtet in ihre Fabrik eingedrungen und auf alles eingeschlagen hatten, was sich ihnen in den Weg stellte. Dazu zählten sie wohl auch die Kessel. Glücklicherweise hielt sich der Schaden in Grenzen, denn die bulligen Tanks bestanden aus mehrfach verschweißten Stahlplatten, denen die Schläge nichts anhaben konnten. Lediglich einige Kupferrohre waren hinüber. Der finanzielle Schaden war nicht so schlimm wie erwartet. Es ärgerte sie jedoch, dass sie von nun an mehr Wachen einsetzen und vorsichtiger zu Werke gehen musste. Aus dem schwelenden Misstrauen einiger Bewohner der Stadt war ein offener Konflikt geworden, auf den es jetzt zu reagieren galt. Sie ahnte, wer für den Angriff verantwortlich war, und jedes weitere Informationsfragment untermauerte ihre Vermutung.
Die Anhänger des Reverend, und insbesondere der Reverend selbst, waren ihr schon seit langer Zeit ein Dorn im Auge. Dieser Klüngel war primitiv, aber einflussreich. Der Reverend hatte sich eine treue Kirchengemeinde herangezüchtet, die er jeden Sonntag mit seinen Plattitüden fütterte. Sie verurteilten alles, was nicht in ihr eng gestricktes Weltbild gehörte. Dazu gehörte sie als alleinstehende Geschäftsfrau leider auch. Die Verachtung, die ihr der Reverend mit seinen Getreuen entgegen brachte, hielt den Klüngel jedoch nicht davon ab, dreist nach Spenden zu fragen und mit aller Selbstverständlichkeit Geschenke entgegen zu nehmen. Besonders, wenn diese finanzieller Natur waren. So manchen Abend hatte Madame Hazard auf gähnend langweiligen Wohltätigkeitsveranstaltungen der Kirchgänger verbracht, anstatt sich mit ihren Schöpfungen zu vergnügen. Und eben jene Kirchgänger wagten es nun, sich die reichste Frau Cravesburys zur Feindin zu machen. Und damit nicht genug. Beinahe waren sie hinter ihr Geheimnis gekommen. Zumindest einer von ihnen war in den verborgenen Bereich vorgedrungen und hätte um ein Haar ihre fähigste Wissenschaftlerin getötet. Madame Hazard sah sich um. Elena Winterstone war nirgendwo zu sehen, dafür ein Mann, den sie nicht zu sehen wünschte.
»Guten Abend, gnädige Frau«, grüßte der Bürgermeister von Cravesbury und verbeugte sich.
»Master Copper«, gab sie kühl zurück. Auch er gehörte jener verhassten Gruppierung an.
»Es tut mir außerordentlich leid, was sich hier zugetragen hat. Die Stadtkasse wird selbstverständlich einen Teil der Reparaturkosten übernehmen. Schließlich versorgt Ihre Fabrik unsere schöne Stadt mit Strom.«
Ehe Madame Hazard etwas erwidern konnte, fuhr der Bürgermeister schon fort: »Oder noch besser, ich schicke meine besten
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