Im Bann der Engel
Besucher ihre Hand entgegen. Sie versuchte ein Lächeln, das ein wenig schief ausfiel.
Nacheinander nannten die Gäste ihre Namen. Der Boss hatte nicht übertrieben. Es waren gut gebaute Männer, alle offenbar nicht älter als Dreißig, mit einem gesegneten Selbstbewusstsein.
Besonders einer fiel ihr auf. Er war der Einzige, der nicht sofort Augenkontakt zu ihr aufgenommen hatte, sondern ihrer Büroeinrichtung mehr als nur einen flüchtigen Blick geschenkt hatte. Besonders die Beschriftungen der Akten interessierten ihn.
Er stellte sich ihr auch erst am Schluss vor.
»Richard Sinclair. Ich hoffe, Sie haben sich gut eingelebt.«
»Woher wissen Sie, dass ich noch nicht lange hier bin?«, wollte Elena wissen.
»Die Farbe, mit der Ihr Name auf die Tür gepinselt wurde, glänzt noch feucht. Außerdem riechen auch die Wände frisch gestrichen. All die Glaskolben und Metallgerätschaften weisen keinerlei Benutzungsspuren auf. Da Madame Hazard jedoch erwähnte, dass Sie schon längere Zeit dabei sind, gehe ich davon aus, dass man Sie befördert hat. Und dazu meinen herzlichsten Glückwunsch. Oder sollte ich Ihnen lieber mein Beileid aussprechen?«
»An Ihnen, lieber Sinclair, scheint ein Detektiv verloren gegangen zu sein«, sagte der Boss spitz. »Aber vergessen wir bitte nicht, dass es um Sie geht, meine Herren. Miss Winterstone hat ihren Platz in unserem Gefüge schon unlängst gefunden, nicht wahr, meine Liebe?«.
Madame Hazard wartete keine Antwort von Elena ab und fuhr fort: »Sie können Miss Winterstone nun Fragen stellen. Zu der Prozedur, zu unserer Forschungseinrichtung, was Ihnen sonst noch auf dem Herzen liegt.«
»Wie läuft diese Verwandlung ab?«, ergriff Martin Thurman das Wort. »Beschreiben Sie es uns.«
Elena räusperte sich und versicherte sich mit einem raschen Blick zum Boss, was sie preisgeben durfte. Madame Hazard nickte ihr auffordernd zu.
»Sie werden geistig und körperlich auf die Transformation vorbereitet. Das bedeutet, dass sie bestimmte Nahrungsmittel zu essen bekommen, die leicht bekömmlich sind, außerdem wird ihnen ein Medikament gespritzt, das die Abstoßung der Flügel verhindern soll.«
»Dürfen wir uns unsere Flügel aussuchen?«, fragte der Mann namens Waits dazwischen.
»Gewiss«, log Elena.
»Wird es schmerzhaft werden?« Wieder Thurman.
»Nun, wir versuchen natürlich, die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten, allerdings hängt auch viel von Ihnen ab, wie sie die Metamorphose empfinden.« Elena dachte mit einem Schaudern an die Notizen der anderen Versuchsobjekte und daran, dass das gespritzte Medikament die Männer umbringen würde. Laut fuhr sie fort: »Selbstverständlich sind wir auf Ihre Rückmeldungen angewiesen, nur so können wir auf die Entwicklung einwirken.«
»Lieben Sie Ihre Arbeit, Miss Winterstone?«, fragte Sinclair in sanftem Ton.
Elena schwieg schockiert. »Sicher doch«, schickte sie ihrem Schweigen hinterher, aber es klang nicht glaubwürdig. Der Boss runzelte die Stirn. »Möchten Sie einen Tee oder einen mokkachoc?«, gab sie Elena Rückendeckung. Zum Glück gingen die Besucher darauf ein. Das peinliche Verhör war vorerst beendet.
Es dauerte nur wenige Minuten und der Boss erschien allein in ihrem Büro.
»Es tut mir leid«, stieß Elena hervor.
»Das braucht es nicht. Dieser Sinclair ist ein Querulant, aber zweifelsohne der interessanteste unserer Freiwilligen.«
»Sie wissen nicht wirklich, was auf sie zukommt?«, wollte Elena wissen.
Der Boss schüttelte den Kopf.
»Wann beginnen wir?«
»Heute Abend.«
»So früh schon?« Elena war entsetzt. »Aber ich habe mich überhaupt nicht vorbereitet.«
»Bis heute Abend bleibt Ihnen noch genügend Zeit. Nutzen Sie die restlichen Stunden. Wir beginnen mit Waits.«
»Alles steht und fällt mit dem Ritual«, dachte Elena laut nach, »wir brauchen die richtigen Leute.«
»Darum werde ich mich kümmern«, versprach der Boss. Sie nickte Elena noch einmal aufmunternd zu und verließ den Raum.
Kapitel 7
Margaret entzündete ein weiteres Räucherstäbchen und steckte es zu den übrigen dreien in den schmalen Hals des Gefäßes. Elena drehte sich fast der Magen um. Sie war nüchtern. Leider war es für die angewandte Atemtechnik notwendig. In ihrem Bauch rumorte es von dem Abführmittel. Wenn sie sich schnell bewegte, kreiste alles vor ihrem Gesichtsfeld.
»Können wir heute nicht ausnahmsweise auf die Gerüche verzichten?«, fragte sie gepresst.
Margaret hielt ihr wortlos eine
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