Im Bann der Engel
behandeln, die es aufrichtig mit dir meinen. Nun gut, ich möchte dir noch eine letzte Möglichkeit geben, dich zu bewähren. Du kannst vorerst bleiben. Sehe ich jedoch, dass du mich weiterhin enttäuschst, wirst du mein Haus verlassen. Und nun wirst du dem Stubenmädchen helfen, die Zimmer aufzuräumen.«
Madame Hazard klopfte an die Tür zu Amenatos‘ Zimmer.
»Herein«, klang es matt.
Er saß mit dem Rücken zur Tür und starrte aus dem Fenster. Außer einigen Blättern, die der herbstliche Sturm umherwirbelte, gab es nichts zu sehen.
»Warum bist du traurig?«, sprach sie ihn an.
»Das weiß ich selbst nicht.« Er wandte sich auch jetzt nicht um. »Es ist mir, als hätte ich mich verloren.«
»Hast du Streit mit Sophia?«
»Nein, aber ich ertrage ihre Nähe nicht. Sie vergrößert meine Leere, statt sie zu füllen.«
»Ich habe mit ihr gesprochen, sie wird sich ändern.«
Amenatos stand auf und ging mit schleppenden Schritten zu dem Krug mit Wasser. Mit bebenden Händen goss er sich einen Becher voll und trank.
Madame Hazard schmerzte sein Anblick. Was war nur aus dem stolzen Mann geworden?
»Ich träume von einer Frau«, sagte er unvermittelt. »Sie besucht mich in der Nacht und erzählt mir, dass alles gut werden wird. Sie ist voller Liebe. Dann erwache ich und sie ist fort.«
Madame Hazards Atem beschleunigte sich.
»Beschreibe mir diese Frau«, forderte sie.
»Sie ist biegsam und temperamentvoll. Meist hat sie Tintenflecke an den Zeigefingern, weil sie gerne handgeschriebene Dokumente liest und vor dem Umblättern den Finger anfeuchtet. Sie ist klug, das sieht man an ihren Augen. Sie funkeln meistens spöttisch. Außerdem hat sie ein wunderbares Lächeln.«
Madame Hazards Stimme brach beinahe, als sie fragte: »Weißt du, wie die Frau heißt?«
»Nein.«
Sie atmete aus. Zumindest in diesem Punkt hatten ihre Okkultisten nicht versagt. Dennoch würde sie ein ernstes Wort mit Margaret reden, die ihr hoch und heilig versichert hatte, dass sich Amenatos an rein gar nichts würde erinnern können. Mit einem Mal tauchte Winterstone, die Nemesis, wieder auf und brachte alles durcheinander.
»Wenn diese Frau das nächste Mal nachts zu Besuch kommt, biete ihr doch an, dich persönlich kennenzulernen. Lade sie hierher ein.«
Madame Hazard gab sich größte Mühe, ihre Stimme freundlich klingen zu lassen, obwohl sie das Bedürfnis verspürte laut zu brüllen.
Amenatos schüttelte den Kopf: »Lieber nicht.«
Die Transformation war in vollem Gange, als Madame Hazard in den Raum platzte.
Der Mann auf dem Metalltisch lag mit verkrampften Muskeln auf der Seite und blutiger Schaum troff aus seinen Mundwinkeln. Die Okkultisten lagen auf den Matten. Geoffrey schlief. Sein Schnarchen brachte seine Haare zum Erzittern, die ihm ins Gesicht hingen. Der Transformator summte zwar, ließ aber das charakteristische Vibrieren vermissen, das von einem Energieaustausch zwischen dem Versuchsobjekt und den Okkultisten kündete.
Sie pumpen ihre Kraft in einen toten Körper, ging es Madame Hazard durch den Kopf. Er müsste schon längst wieder am Leben sein. Und sie merken es nicht!
Laut klatschte sie in die Hände. »Aufwachen!«
Geoffrey fuhr hoch und blinzelte. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, als sich sein Blick fokussierte.
Margaret murmelte Unverständliches mit geschlossenen Augen, dann kam auch sie allmählich zu sich.
»Er ist tot«, sagte Madame Hazard ohne Umschweife.
Margarets Miene drückte Ahnungslosigkeit aus, sie zwinkerte und sah fassungslos auf den Leichnam.
Ihre Lippen formten ein tonloses »O«.
»Ich möchte so etwas nie wieder sehen müssen«, herrschte Madame Hazard ihre Mitarbeiter an. »Euch ist ein Anfängerfehler unterlaufen. Und was das bedeutet, brauche ich wohl nicht näher auszuführen.«
Justine rollte eine Träne die Wange herab. Madame Hazard starrte sie so lange an, bis sie beschämt den Blick senkte.
»Ich werde den nächsten Mann in die Vorbereitung schicken und ihr«, sie maß ihre Untergebenen mit einem strengen Blick, »werdet euch ausruhen, anständig essen und heute Abend um neun Uhr sehen wir uns hier wieder. Ich werde euch unterstützen. Noch mehr Verluste können wir uns nicht leisten.«
»Meinst du, wir schaffen es?«, fragte Cole, nachdem er und Elena eine Weile schweigend nebeneinander gelaufen waren.
»Warum denn nicht? Wenn es uns gelingt, sie zu trennen, dürfte nichts schiefgehen.«
Cole sah Elena von der Seite an. Zwar war sie immer noch schön, aber
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