Im Bann der Gefuehle
Das Zusammensein mit ihm hatte so viele schöne Erinnerungen geweckt, und das klärende Gespräch mit Carlotta hatte vergessen geglaubte Gefühle endgültig wieder in Carys heraufbeschworen. Denn nun war klar, dass Alessandro sie damals nicht belogen oder betrogen hatte.
„Signorina?“ Bruno trat näher und klang ernsthaft besorgt.
„Entschuldigen Sie, Bruno.“ Sie schenkte dem Bodyguard ein schiefes Lächeln. „Ich muss mich nur ein wenig sammeln. Das hier ist alles ziemlich überwältigend für mich.“
„Es wird schon gut werden, signorina . Sie werden sehen. Der Conte wird sich um Sie kümmern.“
So wie er sich bisher um alles in Bezug auf diese Heirat gekümmert hatte. Carys kam sich vor wie ein weiterer Punkt auf Alessandros Liste, der einfach abgehakt wurde. Erledigt: Ehefrau und gleichzeitig Mutter für meinen Sohn.
Carys unterdrückte ein hysterisches Gekicher und presste ihr Bouquet an sich. Der süße Blütenduft drang in ihre Nase und verscheuchte die trübsinnigen Zweifel für einen Moment.
„Das wird er, Bruno. Danke.“
Sie war stark und würde heute nicht damit anfangen, sich selbst zu bemitleiden. Hier ging es um Leo, und darauf wollte Carys sich konzentrieren. Entschlossen trat sie durch die Tür, die Bruno für sie aufhielt.
Die Musik schwoll an, Gespräche verstummten, und alle Gesichter waren der Braut zugewandt. Carys ließ ihren Blick über die Gäste schweifen: Fremde für sie, Freunde für Alessandro, der wartend vorn am Altar stand.
Carlotta hatte sich selbst dabei übertroffen, ein traumhaftes, modernes Kleid in blassgrauer Seide zu entwerfen, das gleichzeitig weiblich und elegant aussah. Es betonte Carys’ weibliche Figur vorteilhaft, hatte lange Ärmel und einen recht hohen Kragen, der fast mittelalterlich und äußerst edel wirkte. Vorn war der tiefe Ausschnitt mit Saphiren verziert.
Carys hörte beeindrucktes Wispern, während sie durch den Mittelgang schritt, und sah den neidischen Ausdruck in vielen weiblichen Gesichtern. Aber sie bemerkte auch lächelnde Mienen und ein, zwei vertraute Menschen. Unter anderem Alessandros drei Cousinen, die ihr erst vor zwei Tagen vorgestellt worden waren, zusammen mit ihren Männern und einer ganzen Kinderschar. Alle nickten ihr aufmunternd zu, und Carys fühlte sich augenblicklich besser.
Dann war da Carlotta in einem spektakulären, rubinroten Kleid, und ihre dunklen Augen strahlten voller Wärme. Leo saß auf dem Arm seines Kindermädchens und klatschte begeistert in die Hände. Er winkte und rief seiner Mutter etwas zu. Eilig beugte Carys sich vor, drückte den Kleinen kurz an sich und nahm die Kraft in sich auf, die er ihr immer wieder durch seine bloße Anwesenheit schenkte.
Das Gemurmel um sie herum wurde etwas lauter, und Carys richtete sich auf, um weiterzugehen. Ihr Blick traf Livia, die sie mit steinerner Miene und einem starren, kalten Lächeln musterte.
Dies war die Frau, die bewusst versucht hatte, einen Keil zwischen sie und Alessandro zu treiben. Doch Carys blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, denn in der nächsten Sekunde legte sich ein kraftvoller Arm um sie. Es gab kein Zurück mehr, sie stand neben dem Mann, den sie heiraten würde.
„Carys.“
Während sie sich tief in die Augen sahen, formte sich in ihr der Wunsch, Alessandro möge sich wenigstens teilweise an das erinnern, was sie einmal verbunden hatte. Vielleicht würde es nie geschehen, und was nützte eine gemeinsame Vergangenheit, wenn sie halb im Dunkeln verschwunden war. Dann könnte Carys niemals wieder eine wirkliche Nähe zu dem Mann aufbauen, dessen Ring sie gleich am Finger tragen würde.
Wie gebannt beobachtete sie die Veränderung in seinen grünen Augen. Bildete Carys sich das nur ein, oder entdeckte sie so etwas wie echte Gefühle darin? Doch dann war der magische Moment vorüber, und Alessandros Miene wurde ausdruckslos.
Es gab kein Zurück, so oder so.
Stunden später befand Carys sich kurz vor einer Ohnmacht. Ihr Gesicht war schon starr vom vielen Lächeln, und sie hatte keine Kraft mehr zu protestieren, als Alessandro sie vor den Augen der Gäste schwungvoll auf die Arme nahm.
„In Italien trägt man seine Braut noch über die Schwelle“, sagte er lachend und überquerte den Platz vor seiner Villa, um die Stufen zur Eingangstür zu erklimmen. „Du könntest wenigstens versuchen, erfreut auszusehen“, flüsterte er Carys leise zu. „Die Gäste erwarten eine glückliche, frisch verheiratete Frau in meinen Armen.“
„Ich
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