Im Bann der Leidenschaft
lächelte siegessicher. »Heute nacht wirst du mir gehören, mein Engel.«
Und dann drang ein unerwarteter Störenfried in das kleine, von Rosenduft und süßer Verheißung erfüllte Paradies ein. Ein hochgewachsener Aristokrat mit kalten grauen Augen erkundigte sich spöttisch, ob seine Gemahlin die Party genießen würde.
Als Katelina die vertraute Stimme hörte, erstarrte sie. Wolf erkannte die Angst in ihren violetten Augen, bevor er sich zu der silhouettenhaften Gestalt vor dem hell erleuchteten Ballsaal wandte. Sofort ließ er Katelinas Schultern los und stand auf – bereit, seine Liebste zu schützen.
Dank ihrer guten Erziehung gelang es auch ihr, sich zu erheben und den Aufruhr ihrer Gefühle einigermaßen zu verbergen.
»Stefan, darf ich dir meinen Stiefbruder vorstellen. Tchorook Oglou Tougouse Kuzan, Wolf – mein Mann, Stefan Sergeyevitch Stepniak.«
Die beiden Männer nickten einander zu.
»Stiefbruder?« wiederholte Stefan und musterte den Gefährten seiner Frau skeptisch, inspizierte die hohen schwarzen Stiefel, die lange rote Tunika, das weiße Hemd mit den goldenen Litzen, den juwelenbesetzten Griff des Dolchs, der in einem reichverzierten schwarzen Ledergürtel steckte.
»Allerdings, Monsieur Stepniak«, bestätigte Wolf herausfordernd.
Gegen provozierende Blicke war Graf Stepniak, ein Meisterschütze und kräftig gebauter Sportsmann, völlig immun. »Gehen wir nach Hause, meine Liebe.«
»Aber – Stefan, ich wohne im Kuzan-Palais«, protestierte sie. »Da sind auch die Kinder.«
»Wenn du sie für zwei oder drei Tage den Kinderfrauen anvertraust, werden sie sicher keinen ernsthaften Schaden erleiden. Bald reise ich wieder ab. Und solange ich in Petersburg bleibe, lege ich Wert auf die Gesellschaft meiner Frau in meinem Haus.«
Als Wolf ihre Verzweiflung bemerkte, mischte er sich hastig ein. »Du mußt ihn nicht begleiten, Katelina«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und berührte den Griff seines Dolchs.
Ehe er zum Angriff übergehen konnte, legte sie eine Hand auf seinen Arm. »Ich fahre nur rasch zum Palais und gebe den Kinderfrauen ein paar Anweisungen, Stefan. Danach komme ich zu dir.«
»Welch eine kluge Entscheidung, meine Teure«, erwiderte er trocken. »Ihr Diener, Monsieur.« Nach einer knappen Verbeugung wandte er sich ab und schlenderte davon.
»Warum gehst du zu ihm?« fauchte Wolf und schüttelte Katelinas Hand ab. »Offensichtlich willst du’s nicht.« Beinahe hätte er diese bezaubernde Frau erobert, die ihm so lange widerstanden hatte. Und nun würde sie die Nacht mit ihrem Ehemann verbringen.
»Was bleibt mir anderes übrig? Ich bin seine Frau.«
»Und wer zwingt dich, bei ihm auszuharren?«
Tränen rannen über ihre Wangen, und er nahm sie liebevoll in die Arme. Sie konnte ihm nicht anvertrauen, was sie bewog, ihre Ehe zu ertragen – weder ihr Pflichtgefühl noch ihre moralischen Prinzipien, sondern Stefans grausame Drohungen. Einoder zweimal hatte sie in bitterem Zorn von einer Scheidung gesprochen.
»Dann wirst du die Kinder nie Wiedersehen«, hatte er tonlos erwidert. »Wenn die gesetzlichen Mittel nicht ausreichen, werde ich die beiden entführen.«
»Also muß ich mich deinen Wünschen wohl oder übel fügen.«
»Das wäre sehr vernünftig«, hatte er voller Genugtuung geantwortet.
Nun schaute sie mit tränenfeuchten Augen zu Wolf auf. »Kümmere dich nicht um meine Probleme. Ich habe dir schon genug Ärger bereitet.«
»So leicht kommst du mir nicht davon.«
»Bin ich deiner Mühe auch wirklich wert?« flüsterte sie.
»Ganz sicher«, entgegnete er und lachte leise.
Als sie lächelte, erschien ein Grübchen in ihren Wangen.
»Willst du immer noch zu ihm gehen, Katelina?«
»Ich habe keine Wahl.«
»Nun, dann begleite ich dich jetzt ins Palais.«
Nachdem er sie zu ihren Gemächern geführt hatte, suchte er seine eigene Suite auf und befahl dem Kammerdiener: »Zwei Flaschen Kakheti-Wein und meine Pfeife.«
Einige Minuten später saß er auf einen Sofa vor der offenen Balkontür und sog an seiner Wasserpfeife. Den Kopf in die Satinpolsterung gelegt, schloß er die Augen. Was sollte er tun? Seine Hände waren gebunden. Erbost verdrängte er qualvolle Fantasiebilder von Katelina, die im Bett ihres Mannes lag. Nach einer Weile hob er die Lider, goß noch etwas Wein in sein Glas und atmete den würzigen Rauch ein. Wachsende Unrast erfüllte ihn. Vielleicht würden sich Katelinas Probleme früher lösen lassen, als sie es
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