Im Bann der Leidenschaft
auf dem Empire-Sofa, in ein gerüschtes Negligé gehüllt, und Prinz Alex betupfte ihre Stirn fürsorglich mit einem feuchten Handtuch. Allerdings ließ seine Kleidung etwas zu wünschen übrig. Er trug zwar einen Abendanzug, aber das Hemd entblößte eine behaarte Brust, und die Krawatte fehlte.
»O Boris, ich bin ja so froh, daß du endlich nach Hause kommst!« jammerte Amalie. »Nachdem ich einen plötzlichen Schwächeanfall erlitten hatte, brachte Prinz Alex mich nach Hause – und er kümmerte sich wirklich rührend um mich. Vielen Dank, mein Lieber.«
Alex richtete sich auf und unterdrückte ein spöttisches Lächeln. »Keine Ursache, Gräfin Beckendorff, es war mir ein Vergnügen.«
So leicht ließ sich Boris nicht zum Narren halten. Wenn man die derangierte Kleidung des Prinzen und Amalies freizügiges Neglige betrachtete, klang die Geschichte vom Krankenlager nicht besonders glaubhaft. Aber es widerstrebte ihm aus zwei Gründen, genauere Erklärungen zu verlangen. Erstens müßte er Alex, einen renommierten Pistolenschützen, zum Duell fordern. Und zweitens fand er die Tugend seiner Gemahlin nicht allzu wichtig. Er hatte sie nur geheiratet, um seiner Sammlung kostbarer Schätze ein weiteres Kleinod hinzuzufügen. Und wie alle seine übrigen Schätze hatte sie an Reiz verloren, sobald sie sein Eigentum geworden war. Da er zur Trägheit neigte, hatte ihn ihr leidenschaftliches Wesen zunächst verblüfft, dann ermüdet und schließlich geärgert. Deshalb bevorzugte er seine Geliebten, die ihn pflichtschuldigst befriedigten, während er einfach nur dalag.
Außerdem wußte er, warum Amalie seine Frau geworden war. Kurz vor der Hochzeit hatte er ihr mitgeteilt, er sei so großzügig gewesen, die Spielschulden ihres Vaters zu begleichen. Die hatte er noch jahrelang übernommen, und darauf wies er sie oft genug hin, um sich für ihre mangelnde Liebe zu rächen.
Nach all diesen Überlegungen fiel ihm die Entscheidung, wie er sich nun verhalten sollte, nicht schwer. »Besten Dank für Ihre Hilfe, Prinz Alex. Haben Sie noch Zeit für ein Glas Cognac und eine Partie Whist, bevor Sie sich verabschieden?«
»O ja, mein lieber Boris, diese Einladung nehme ich sehr gern an.«
Amalie seufzte erleichtert und riß das feuchte Handtuch von ihrem Kopf, das ihre Locken ruinierte.
»Wenn du uns jetzt entschuldigen würdest …« Boris wandte sich verächtlich zu ihr. »Offenbar hast du dich inzwischen von deinen Qualen erholt.«
Bevor Alex dem Hausherrn aus dem Boudoir folgte, zwinkerte er ihr grinsend zu. In den Bibliotheken warteten einige Diener, um den Cognac einzuschenken, türkische Zigarren anzubieten und ein neues Kartenpäckchen zu öffnen.
»Worum spielen wir?« fragte Boris und mischte die Karten auf der Tischplatte mit den exquisiten Elfenbeinintarsien.
Wäre Alex interessiert gewesen, hätte er Boris aufgefordert, Amalie einzusetzen. Aber seit er Zena kannte, begehrte er keine anderen Frauen.
»Keine Ahnung.« Sie dachten eine Zeitlang nach. Um Geld zu spielen, erschien den beiden extravaganten, verwöhnten Aristokraten zu langweilig, und so schlug Alex vor: »Soll der Verlierer seinen Zeigefinger abschneiden?«
Erschrocken riß Graf Boris die Augen auf. »Großer Gott …«
»Keine Bange«, erwiderte Alex lachend, »das war nur ein Scherz. Sagen wir mal – Ihr Hengst Irish Hills gegen meine neue Rotschimmelstute. Ist das konventionell genug?«
Boris nickte dankbar. Obwohl er Alex’ makabren Humor zu schätzen wußte – manchmal übertrieb der Mann ein wenig.
»Dann verteilen Sie die Karten!« verlangte Alex. »Ich glaube, heute bleibt mir das Glück treu.«
Am nächsten Nachmittag weckte Yuri ihn um halb drei. »Steh auf, du Faulpelz. Hast du dich die ganze Nacht im Bett einer unersättlichen Dame verausgabt?«
»Mit Amalie fing’s an. Dann kam Boris etwas zu früh nach Hause, und wir spielten bis zum Morgengrauen Whist.«
»Viel zu früh?«
»Glücklicherweise nicht. Sonst hätte ich ihn die Treppe hinabgeworfen. Ein loyaler Lakai hielt ihn noch eine Weile zurück, und wir konnten unsere Blößen einigermaßen bedecken. Übrigens, Boris scheint sich nicht besonderes viel aus seiner Frau zu machen.«
»Immerhin bezahlte er einen hohen Preis für sie, und sie war keine Jungfrau mehr.«
»Wieso weißt du das?«
»Weil ich die Ehre hatte. Damals waren wir beide fünfzehn.«
»O Gott, was für eine Närrin! Da wußte sie doch schon, daß sie eine gute Partie machen mußte, um ihren
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