Im Bann der Leidenschaften
Zungen.“
„Das stimmt“, knurrt Jane und fährt mit einen Stück Brot über ihren Teller, um auch den allerletzten Tropfen von der vorzüglichen Sauce aufzunehmen.
„Aber sie nutzen sie nicht, oder?“ , freut sich Mary-Beth.
Wo sind nur meine netten, langweiligen Freundinnen geblieben?
„Nicht wirklich“, grinst Jane jetzt, sieht jedoch nicht aus, als würde sie irgendetwas vermissen. Doch dann fügt sie hinzu: „Ich wüsste ja gern mal, wie das so ist. Im Bett mit einem Franzosen.“
Und wieder ruhen alle Augen auf mir. So langsam glaube ich, dass ich die einzige Langweilerin am Tisch bin. Dabei hatte ich mich den Dreien noch heute Morgen vor der Metro-Station überlegen gefühlt. Weil ich schicker gekleidet war als sie. So kann man sich täuschen.
„Annie? Aufwachen! Drei ausgehungerte Amerikanerinnen vom Lande warten auf eine Antwort von dir.“ Mel schlägt kurz mit einer Gabel gegen mein Weinglas.
Wie zum Teufel soll es sein, im Bett mit einem Franzosen?
„Wenn man jemanden liebt, ist es mit jedem schön im Bett“, weiche ich aus.
Meine drei Freundinnen stöhnen wie aus einem Munde auf.
„Ehrlich“, zementiere ich meine Aussage, „die Liebe macht es! Wenn du verliebt bist, geht dir jeder Kuss durch und durch. Besonders wenn du frisch verliebt bist. Er sieht dir tief in die Augen – du bekommst weiche Knie. Er berührt deine Lippen – du spürst es zwischen den Beinen. Er schiebt dir die Zunge in den Mund – du wirst feucht. So einfach ist das! Das ist in Frankreich nicht anders als in Amerika.“
„ Hmh“, macht Mary-Beth. „Bei Fred und war das schon immer anders. Sogar als unser Liebe noch ganz frisch war.“
„Wenn einer schon Fred heißt …“, grinst Mel breit.
„ Mit dem Namen scheint das nichts zu tun zu haben“, stellt Jane fest. „Wenn Jack mir die Zunge in den Hals drückt, werde ich noch lange nicht feucht. Leider.“
Wieder sehen meine Freundinnen mich auffordernd an. Statt aus dem Nähkästch en zu plaudern, ziehe ich es vor, noch ein Glas zu leeren.
„Na ja, Annie verrät uns ja doch nichts“, wiegelt Mary-Beth ab. „Lasst uns ein letztes Mal auf Annies wunderbaren Junggesellinnenabschied anstoßen, bevor wir weiterziehen – und vielleicht später an diesem Abend einen Franzosen ausprobieren. Ich meine natürlich einen französischen Kuss. Ich will unbedingt wissen, ob französische Küsse wirklich zwischen den Beinen enden.“
„Du musst verliebt sein, Mary-Beth, verliebt ! Sonst funktioniert das nicht“, erinnere ich mahnend und notiere voller Panik, dass das Le Meurice offensichtlich nicht die Endstation meines Junggesellinnen-Abschieds ist.
„Ich werde es trotzdem nachher probieren“, sagt Mary-Beth trotzig. „Ich glaube nämlich kaum, dass mir so Hals über Kopf die Schmetterlinge in den Bauch flattern. Und ich will nicht zurück in die USA, bevor ich ausgiebig von der französischen Kusstechnik gekostet habe.“
„ Tststs“, macht Jane. „Sieh zu, dass dich bei der Küsserei niemand fotografiert und das Foto auf Facebook veröffentlicht. Denn sonst ist Fred sicher sauer.“
„Willst du mich verpetzen?“ Mary-Beth funkelt Jane giftig an.
„Um Himmels Willen, Mary-Beth! Ich will es doch auch wissen!“
Eine Viertelstunde später, nach der Crème Brûlée, sitzen wir wieder in einem Großraumtaxi. Dieses Mal kümmern mich die schmachtenden Blicke des Taxifahrers weniger. Ich bin immer noch dabei, meine Freundinnen zu verhören. Ich will wissen, wie teuer das grandiose Entenessen mit Blick auf Notre Dame war. Doch zu diesem Thema schweigen sie ebenso, wie ich zum Thema Sex mit einem gewissen Franzosen. Seit dem fünften oder sechsten Glas Wein vermisse ich ihn jedoch nicht mehr so wie bei meinem Bad. Inzwischen bin ich einigermaßen heiter und entspannt. Das ändert sich schlagartig, als Jane unser Ziel nennt.
„Zum Folie’s Pigalle“, fordert sie den Taxifahrer auf.
Der sieht Jane an, als hätte er nicht richtig verstanden, was vermutlich zutrifft. Das Folie’s Pigalle ist ein angesagter Tanzschuppen, liegt aber im Rotlichtmilieu. Unser Fahrer kennt die Gegend anscheinend nur in Verbindung mit dem Strich. Kein geeigneter Ort für Disney-Prinzessinnen. Normalerweise habe ich nichts gegen den Club. Sie spielen gute Musik und dort ist immer was los. Trotzdem nutze ich die Gelegenheit und ändere unser Ziel.
„Meine Freundin meint den Barone“, sage ich blitzschnell auf Französisch.
Der Fahrer gibt Gas. Eine gute halbe Stunde
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