Im Bann der Leidenschaften
verheiratet und Mel ist sowieso die geborene alte Jungfer. Bei mir stellen sich beim Plantschen in dem warmen Orangenwasser der riesigen, frei in unserem Luxusschlafzimmer stehenden Wanne, erste Entzugserscheinungen nach Philippe ein. Sehnsüchtig wandert meine rechte Hand zwischen die Beine, legt sich dort auf die frisch rasierte Fläche. Ein warmes Gefühl breitet sich in meinem Schoß aus. Ich will den Zeigefinger gerade auf den Punkt an den kleinen, weichen Nervenknubbel legen, als Jane in den Badebereich des Schlafzimmers poltert und meinen Ausflug ins Reich der Sinne vereitelt.
„ Züchtest du Schwimmhäute für die Flitterwochen?“, ruft sie in verschwörerischem Tonfall. Als Einzige weiß sie, dass Philippe und ich noch in der Hochzeitsnacht nach Mauritius fliegen. Meine Eltern werden sauer sein, dass sie ihre Tochter nur während der Hochzeitsfeier zu Gesicht bekommen. Aber ihr neuer Schwiegersohn und ich besuchen sie ja schon zu Weihnachten. Ich hoffe, das wird sie ein wenig über ihre Enttäuschung hinwegtrösten.
„Wo bist du eigentlich mit deinen Gedanken ?“, beschwert sich Jane. „Komm endlich raus aus deinem Schwimmbecken. So langsam wollen wir los.“
Ich tauche unter, um mir den Schaum aus den Haaren zu spülen. Wenn ich eins hasse, dann ist es Drängelei. Als ich wieder auftauche, ist Jane verschwunden und ich richte mich auf eine kleine Zugabe in der Wanne ein. Doch so lange wie ich für eine Nummer mit mir selbst brauche, werden meine Freundinnen mich nicht in Ruhe lassen. Ich lehne mich zurück und richte meine Augen nach oben. Vorhin habe ich den Sonnenschutz an der Dachverglasung eingefahren. Durch den Dachreiter sehe ich direkt in den schwarzen Oktoberhimmel.
„ Ta-ta“, dröhnt es in dem Moment aus Richtung der Tür. Jane, Mary-Beth und Mel springen in den Raum. Ergeben richte ich mich auf, nur um sogleich wieder unterzutauchen. Die Drei sind fix und fertig angezogen.
„Ihr seid ja verrückt“, pruste ich, als mir die Luft ausgeht und ich endgültig auftauche. Umständlich, mit dem Unterarm vor den Brüsten und einer Hand vor der Scham, klettere ich aus der Wanne. Während ich im warmen Wasser schwelgte, haben sich meine Freundinnen in Disney-Prinzessinnen verwandelt. Jane ist eine kugelrunde Belle aus „Die Schöne und das Biest“, die kleine Mary-Beth ist Schneewittchen und Mel hat sich die Haare leuchtend rot gefärbt und ist Arielle, die Meerjungfrau. Sie steckt in einem eng anliegenden Kleid, das über und über mit schillernden, grünen Schuppen bedeckt ist. Mir stockt der Atem. Ich habe Mel noch nie sexy gesehen.
„Wollt Ihr etwa so vor die Tür gehen?“ Ich wickele mich in ein großes, cremefarbenes Handtuch.
„Hey“, protestiert Mel. „Sag mal was Nettes!“
„Anscheinend vermisst unsere süße Annie ihren Prinzen Philippe“, frotzelt Schneewittchen. Mary-Beths langer Zopf schlingt sich wie ein Blumenkranz um den Kopf. „Sie zieht ein Gesicht, als würde sie am liebsten zu Hause bleiben.“
Ich könnte mich selbst dafür schlagen, aber ich habe wirklich keine Lust auf einen feucht-fröhlichen Mädelsabend. Und das liegt nicht nur an meinen schmerzenden Füßen. Ich habe tatsächlich Sehnsucht nach Philippe.
„ Vergiss es“, nimmt mir Jane jegliche Hoffnung auf eine Begnadigung. Auch sie hat mich durchschaut – und auch ihre sonst so fusseligen Haare sind zu einer hübschen, romantischen Frisur aufgesteckt. „Rate mal, wer du heute Abend bist?“
Oh, ich hätte es mir denken können! Natürlich laufen meine Freundinnen nicht allein als Prinzessinnen verkleidet durch Paris, während ich mich in Jeans und T-Shirt verstecke.
„ Ich bin das Biest?“ Vorsichtig drücke ich das Handtuch gegen meine Haare. Auch dieses Vorgehen habe ich mir in Paris angewöhnt. Es verhindert, dass meine Naturlocken sich in einen Mopp verwandeln.
„Kalt“, kichern die Drei wie aus einem Munde.
„Spannt mich doch nicht so auf die Folter!“
„Ein letztes Mal raten, Annie“, bettelt die Meerjungfrau. Die roten Haare stehen ihr wirklich gut. Von der langweiligen Lehrerin ist nichts übrig geblieben.
Ich hasse diese Ratespielchen und schüttele den Kopf.
Als Jane mein Kostüm hinter ihrem Rücken hervorzieht, stöhne ich laut auf.
Es dauert eine halbe Stunde, bis ich endlich in meinem Kleid stecke. Ich kann mich kaum bewegen und auch die Atemluftzufuhr ist stark eingeschränkt. Der rosafarbene Traum aus Samt, Tüll und Seide klemmt und zwickt an allen Ecken und
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