Im Bann der Liebe
... Besuchen nichts erzählt?«
»Was sollte ich denn sagen? Deine Frau will mit mir schlafen? Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und außerdem war ich noch verzweifelt wegen ...« Seine Stimme verklang.
»Setz dich«, wies Aubrey ihn an. »Mein Hals wird steif, wenn ich weiter zu dir hochsehen muss.«
»Du bist es nicht gewohnt, zu jemandem aufzusehen, nicht wahr, Aubrey?«
»Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir zu streiten.«
Ethan drehte seinen Stuhl herum und setzte sich rittlings darauf. Wieder fuhr er sich durchs Haar und wandte den Blick ab. »Julia dachte, du hättest eine Geliebte. Wenn man sie reden hörte, konnte man glauben, du hättest von hier bis Mexiko in jeder Stadt eine Frau gehabt. Wahrscheinlich wollte sie sich rächen, indem sie mit mir ins Bett ging.« Er sah Aubrey mit Mühe an. »Ich schwöre, dass ich sie nicht angerührt habe. Das hätte ich dir - oder jemand anderem - nie angetan.«
»Ich weiß«, sagte Aubrey nach langem Schweigen.
»Warum dann das alles?«
Er deutete mit dem Kopf auf den Gedichtband. »Deshalb. Sie sagte, ich sei nicht dazu fähig, einer Frau solche Komplimente zu machen wie du. Sie hatte Recht. Ich werde es nie können.« Er dachte an Susannah, die sich Romantik und Leidenschaft wünschte, und Verzweiflung senkte sich auf seine Schultern. »Ich kann mit Worten nicht so gut umgehen, Ethan. Zahlen liegen mir mehr. Da gibt es Regeln, die greifen. Aber Worte?« Er hob hilflos die Hände.
Ethan lachte. Es war das erste Mal seit Julias Tod, dass sie sich unterhielten, ohne zu streiten. »Mit Zahlen kannst du tatsächlich sehr viel anfangen, sieh doch dein Bankkonto an.«
»Das ist Frauen egal.«
»Frauen?«, fragte Ethan. »Oder Susannah? Ich würde sagen, dass die meisten Frauen eine Schwäche für Geld haben, genau wie die Männer. Aber sie ist anders, nicht wahr?«
»Anders als alle anderen, die ich kenne«, gab Aubrey zu. »Hast du Whisky?«
»Nein«, gab Ethan ernst zurück. »Willst du unbedingt so enden wie Dad? Das Zeug bekommt dir nicht, genau wie die Zigarillos, die du dauernd rauchst.«
Aubrey entspannte sich mühsam. »Ich will über Dad nicht reden«, stieß er aus.
»Es gibt viele Dinge, über die du nicht reden willst«, merkte Ethan an. »Aber das hier ist ja schon mal ein Anfang. Hast du dich in Susannah verliebt?«
»Du lässt nicht locker, was?«
Ethan grinste. »Nicht so schnell«, gab er zurück.
9
Am nächsten Morgen war es eisig draußen, auch wenn es aufgehört hatte zu schneien. Susannah ließ Victoria bei Maisie zurück, zog sich warm an und machte sich auf den Weg zum Friedhof. Angesichts der Größe von Aubreys Haus und Grundstück war der Weg nicht so kurz, wie man hätte meinen können.
Susannah betrat das Friedhofsgelände, ging zu Julias Monument und trat dagegen. »Wie konntest du so was nur tun?«, zischte sie. »Wie konntest du zwischen zwei Brüdern einen solchen Bruch herbeiführen?«
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie weinte. Sie schniefte und fuhr sich mit der Hand über die Nase. Obwohl sie nicht fest zugetreten hatte, schmerzten ihre Zehen in den Stiefeln.
»Ich dachte, ich kenne dich«, murmelte sie.
Julia konnte natürlich nicht antworten, und Susannah erkannte, dass es Unsinn war, sich mit der toten Freundin unterhalten zu wollen. Sie zögerte noch ein paar Minuten, dann eilte sie nach Hause, zog den Mantel aus und wärmte ihre Hände am Ofen in der Küche.
Maisie löffelte einen duftenden Brei in eine Schüssel und stellte sie hörbar auf den Tisch. »Essen Sie das besser«, befahl sie, »ich glaube, hier braucht ein Mensch Kraft.«
Susannah konnte nicht widersprechen. Sie setzte sich und griff nach der Milch und dem braunen Zucker, der für sie immer noch eine Delikatesse war. Weder in St. Marys noch bei Mrs. Butterfield war Geld für so etwas da gewesen. »Mr. Fairgrieve hat das Haus bereits verlassen, nehme ich an?«, fragte sie und nahm einen Löffel Brei. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so viel zu essen gehabt, wie sie wollte. Sie hoffte nur, dass sie nicht dick wurde.
»Ich glaube nicht, dass er überhaupt zu Hause war«, sagte Maisie, ohne Susannah anzusehen. »Ich war vor einer Weile in seinem Zimmer - heute ist Waschtag für die Bettwäsche -, er hat nicht in seinem Bett geschlafen.«
Es sollte mir nichts ausmachen, dachte Susannah niedergeschlagen, aber das tut es doch. Sie hatte keine Ansprüche auf ihn, zumal sie seinen Antrag gestern abgelehnt hatte. Und doch hätte sie am
Weitere Kostenlose Bücher