Im Bann der Liebe
Hoffnung.
Susannah nickte. Das Tagebuch lag schwer in ihrer Hand. Am liebsten hätte sie es in den Ofen geworfen und verbrannt. Wenn die Flammen nicht nur das Buch, sondern auch die Vergangenheit verzehrt hätten, hätte sie es getan.
»Nun«, sagte er, »du hast dich geirrt. Ich habe einen der Stallknechte gebeten, den Wagen vorzufahren.« Er machte eine Handbewegung, dass sie ihm vorangehen sollte, und sie tat es und nahm ihren Mantel vom Haken. Er legte ihn ihr um und öffnete die Tür.
Mr. Hollister, stellte sieh heraus, hatte eines der kleinen Büros über dem Gefängnis gemietet. Überall stapelten sich Bücher und Papiere. Er sah nicht überrascht aus, als er die Fairgrieves sah, auch wenn er bei ihrem Eintritt die Augen zusammenkniff und wohl ahnte, dass irgendetwas zwischen ihnen passiert war. Wahrscheinlich war es für jeden intelligenten Menschen sichtbar.
»Nun«, sagte er, erhob sich und verbeugte sich leicht vor Susannah, ehe er Aubrey die Hand schüttelte. »Wie kann ich Ihnen an diesem kalten Morgen behilflich sein?« Er trat an den Ofen und legte ein Stück Holz nach. Es begann tröstlich zu knistern und nach Zeder zu duften.
»Susannah hat eine Theorie«, kündigte Aubrey an und machte einen Stuhl für sie frei. »Möchtest du es erklären, meine Liebe?«
Im hellen Tageslicht schien die These, dass Su Lins Vater etwas mit der Sache zu tun haben könnte, weniger einleuchtend als in der Nacht. Doch stärker als ihr Zweifel war die Intuition, die sie zu diesem Schluss geleitet hatte.
Kurz stellte sie dar, was sie über Ethans Beziehung zu Su Lin wusste und über die anhaltende Wut, die das in deren Vater geweckt hatte. »Als ich ihn im Hafen sah, hat mich das auf meine Idee gebracht. An Su Lins Geschichte ist sicher mehr, als Ethan weiß. Und ich glaube, dass Aubreys Überfall irgendwie mit dem Mord an Delphinia zusammenhängt.«
Hollister lehnte sich zurück und betrachtete Susannah wie eine antike Schrift, die es zu entziffern galt. Dann stellte er die Frage, die sie befürchtet hatte. »Gibt es dafür irgendwelche Beweise, Mrs. Fairgrieve?«
Sie biss sich auf die Unterlippe. »So viele, wie die Polizei hatte, als sie meinen Schwager als Mörder verhaftete«, gab sie zurück.
Hollister beugte sich vor, sah Aubrey an, dann wieder Susannah. Die Luft in dem kleinen Raum wurde jetzt stickig und Susannah hätte am liebsten ein Fenster geöffnet. Sie lächelte, als sie sich die Verheerung vorstellte, die die Zugluft unter all den Papieren anrichten würde.
»Ich werde den Mann finden, wenn ich kann«, sagte Hollister, »und mit ihm reden. Das ist alles, was ich versprechen kann.«
»Mehr will ich auch nicht«, erwiderte Susannah und erhob sich steif von ihrem Stuhl. »Guten Tag, Mr. Hollister, und danke, dass Sie Zeit für mich hatten.«
Der Mann stand ebenfalls auf und nickte, sah aber verwirrt aus, als er Aubrey ansah, der die meiste Zeit nichts gesagt hatte.
»Dieser Su Wong - was wissen Sie über ihn? Liegt gegen ihn etwas vor?«
Aubrey schob die Hände in die Manteltaschen. »Nur, dass er Su Lins Vater ist und im Hafen arbeitet.«
»Ich werde die Polizei bitten, Nachforschungen über ihn anzustellen«, erklärte Hollister und ärgerte Susannah damit, dass er die Bemerkung an Aubrey richtete. Schließlich war sie diejenige, die die Untersuchung in die Wege geleitet hatte.
Sie war entrüstet, nahm aber Aubreys Arm nach kurzem Zögern dankbar an. Immerhin war er noch immer ihr Mann, er konnte ja nichts dafür, dass er sie nicht liebte. Er hatte sie nie an der Nase herumgeführt, und sie war mit offenen Augen diese Ehe eingegangen und hatte gedacht, dass seine Gefühle sich ändern würden.
Sie war eine Närrin.
Aubrey führte sie aus dem Büro und die Treppe hinunter, auf der sich Polizisten, Straffällige und Reporter drängten. Zwei der Zeitungsleute folgten ihnen und stellten Fragen zu Ethan und Mrs. Parker, aber ihre Kutsche wartete in der Nähe, und sie waren drin, ehe einer der Reporter sie einholen konnte.
Diesmal saßen sie einander gegenüber. Aubrey murmelte etwas, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Er sprach nicht, bis sie am Haus angekommen waren.
»Lies das Tagebuch, Susannah«, sagte er, »du wirst es sehr erhellend finden.«
Wieder begann es zu schneien, dicke Flocken sanken zu Boden. »Was willst du tun?«, fragte Susannah ihn voller Misstrauen. Vielleicht, weil Aubrey keinerlei Anstalten machte, sie ins Haus zu begleiten, sondern neben der Kutsche
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